Wettbewerb in Recht und Praxis
Der Kündigungsbutton bei einmaliger Leistungspflicht des Verbrauchers
Quelle: Wettbewerb in Recht und Praxis 2025 Heft 09 vom 21.08.2025, Seite 1131

Der Kündigungsbutton bei einmaliger Leistungspflicht des Verbrauchers

Zugleich Besprechung von BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24 – Kündigungsschaltfläche**

Dipl.-Wirtschaftsjurist Martin
Rätze, Mainz*

INHALT

I. Einleitung
II. Sachverhalt und Prozessverlauf
III. Die Entscheidung des BGH

1. Anwendbarkeit des § 312k BGB bei Einmalzahlungen
2. Definition des Dauerschuldverhältnisses
3. Kein Ausschluss durch automatische Vertragsbeendigung
4. Schutzbedürfnis des Verbrauchers
IV. Bewertung der Entscheidung

1. Dogmatische Klarheit
2. Praktische Bedeutung
3. Bezahlen mit Daten
V. Fazit

In Entscheidung vom 22.05.2025 – I ZR 161/24 – Kündigungsschaltschaltfläche hat sich der BGH mit der Frage befasst, wann ein Unternehmen auf seiner Webseite einen Kündigungsbutton bereithalten muss. Wenig überraschend hat der Senat festgestellt, dass diese Pflicht auch dann besteht, wenn den Verbraucher nur eine einmalige Zahlungspflicht trifft und das Dauerschuldverhältnis automatisch endet.

I. Einleitung

1 Die Kündigungsschaltfläche wurde mit § 312k BGB durch das Gesetz für faire Verbraucherverträge1) im Jahr 2021 eingeführt. Die Vorschrift verpflichtet Unternehmen, für bestimmte Dauerschuldverhältnisse eine einfache Kündigungsmöglichkeit auf der Webseite bereitzuhalten. Der BGH hatte mit der hier besprochenen Entscheidung2) über die Reichweite dieser Vorschrift zu entscheiden – insbesondere darüber, ob sie auch dann gilt, wenn der Verbraucher nur eine einmalige Zahlung leistet und das Vertragsverhältnis automatisch endet.

II. Sachverhalt und Prozessverlauf

2 Die Beklagte bot auf ihrer Webseite ein Vorteilsprogramm sowohl in einer kostenlosen als auch in einer kostenpflichtigen Version an. In dem Verfahren ging es ausschließlich um die kostenpflichtige Variante. Der Verbraucher musste hierfür einmalig 9,90 Euro zahlen. Als Gegenleistung musste er unter anderem während der Vertragslaufzeit keine Versandkosten zahlen und konnte Bonuspunkte sammeln. Der Vertrag endete automatisch nach zwölf Monaten. Eine wie in § 312k Abs. 2 BGB vorgesehene Kündigungsschaltfläche hielt die Beklagte auf ihrer Webseite nicht bereit.3)

3 Der Kläger mahnte dies ab und machte im Verfahren Unterlassungsansprüche geltend. Das OLG Hamburg4) wies die Klage in erster Instanz ab. Zur Begründung führte es aus, dass § 312k BGB in diesem Fall keine Anwendung finde, da es sich bei diesem Vertrag für den Verbraucher nicht um ein Dauerschuldverhältnis handle.5) Da der Verbraucher den Umfang seiner Leistungspflicht überblicken könne, sei er nicht schutzbedürftig.6) Die Vorschrift des § 312k BGB sei nur auf Fälle anwendbar, in denen den Verbraucher eine dauerhafte Leistungspflicht treffe.7) Da dies hier nicht der Fall war, würde es sich nicht um ein Dauerschuldverhältnis für den Verbraucher handeln.8) Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil auf und gab der Klage statt.

III. Die Entscheidung des BGH

1. Anwendbarkeit des § 312k BGB bei Einmalzahlungen

4 Der BGH widersprach der Vorinstanz und schloss sich der Literaturmeinung an, nach der ein Dauerschuldverhältnis i. S. d. § 312k BGB auch dann vorliegt, wenn der Unternehmer über einen bestimmten Zeitraum Leistungen erbringt, die der Verbraucher durch eine Einmalzahlung vergütet.9) Maßgeblich sei nicht die Entgeltstruktur auf Seiten des Verbrauchers, sondern die fortwährende Leistungspflicht des Unternehmers.10)

2. Definition des Dauerschuldverhältnisses

5 Der Senat griff dabei auf allgemeine zivilrechtliche Grundsätze zurück: Ein Dauerschuldverhältnis liegt dann vor, wenn ein dauerndes Verhalten oder eine wiederkehrende Leistung geschuldet wird, deren Gesamtumfang von der Zeitdauer abhängig ist.11) Die vertragstypische Leistung – hier Versandvorteile und Punktegutschriften – waren von der Beklagten über zwölf Monate zu gewähren. Ob der Verbraucher als Gegenleistung eine Einmalzahlung oder fortlaufende Zahlungen zu leisten habe, sei dabei ohne Belang, da dies dem Vertrag nicht sein charakteristisches Gepräge gibt.12)

6 Aus diesem Grund war der vorliegende Vertrag als Dauerschuldverhältnis i. S. d. § 312k BGB einzuordnen.

3. Kein Ausschluss durch automatische Vertragsbeendigung

7 Auch der Umstand, dass der Vertrag automatisch endet, steht der Anwendung des § 312k BGB nicht entgegen. Der BGH betonte, dass § 312k BGB gerade auch außerordentliche Kündigungen erleichtern soll, bei denen typischerweise eine Rückerstattungspflicht des Unternehmers nach §§ 628, 812 BGB entstehen kann.13)

4. Schutzbedürfnis des Verbrauchers

8 Der BGH wies die Argumentation des OLG zurück, wonach der Verbraucher nicht schutzbedürftig sei, weil seine Pflichtleistung bereits bei Vertragsschluss feststehe. Der Gesetzgeber habe § 312k BGB eingeführt, um die Kündigung faktisch zu erleichtern, nicht um wirtschaftliche Transparenz zu verbessern. Entscheidender sei, dass der Vertrag „niedrigschwellig“ geschlossen wurde und ebenso kündbar sein müsse.14)

IV. Bewertung der Entscheidung

1. Dogmatische Klarheit

9 Die Entscheidung überzeugt. Der BGH orientiert sich am objektiven Gepräge des Vertrags und verneint zu Recht eine Einengung auf die wiederkehrende Zahlungspflicht des Verbrauchers. Diese Sichtweise entspricht nicht nur dem Telos der Norm, sie verhindert auch eine Umgehung durch scheinbar „harmlose“ Vertragsmodelle.

10 Bereits der Wortlaut des § 312k BGB, nach dem auf der Webseite eine Erklärung zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung bereitzuhalten ist, macht deutlich, dass es nicht nur um Verträge geht, bei denen ein ordentliches Kündigungsrecht besteht.

2. Praktische Bedeutung

11 Für Anbieter bedeutet das Urteil eine klare Pflicht zur Einrichtung von Kündigungsschaltflächen auch bei befristeten Dauerschuldverhältnissen mit Einmalzahlung. Dies wird zu Anpassungen bei Webdesigns führen müssen. Eine Kündigungsmöglichkeit „nur per E-Mail“ oder „telefonisch“ ist in diesen Fällen regelmäßig unzureichend.

3. Bezahlen mit Daten

12 Ein bislang nicht höchstrichterlich geklärtes, aber zunehmend praxisrelevantes Problem ist die Frage, ob die Verpflichtung zur Vorhaltung einer Kündigungsschaltfläche gemäß § 312k BGB auch dann greift, wenn der Verbraucher kein Geld, sondern personenbezogene Daten als Gegenleistung zur Verfügung stellt. In der Praxis betrifft dies etwa kostenlose Mitgliedschaften in Kundenbindungsprogrammen, bei denen der Verbraucher als Gegenleistung für kontinuierliche Leistungen wie Rabatte, Gutscheine oder Bonuspunkte seine Daten preisgibt, oder auch die Nutzungsverträge mit den Anbietern der sog. Sozialen Netzwerke.

13 Die zentrale Frage ist, ob in diesen Fällen ein Dauerschuldverhältnis gegeben ist, das einen Unternehmer zu einer entgeltlichen Leistung i. S. v. § 312k Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet – denn nur dann greift die Verpflichtung zur Kündigungsschaltfläche.

14 Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, ob die Entgeltlichkeit i. S. v. § 312k Abs. 1 S. 1 BGB allein auf monetäre Leistungen beschränkt ist.15)

15 Für eine Anwendung des § 312k BGB auf diese Fälle spricht vor allem der Schutzzweck der Norm: Sie soll Verbraucher vor einer faktischen Bindung an Dauerschuldverhältnisse schützen. Zwar spricht die Gesetzesbegründung von „Kostenfallen“,16) aber dass damit ausschließlich Geldleistungen zu verstehen sind, lässt sich der Gesetzesbegründung so ausdrücklich nicht entnehmen. Für den Verbraucher besteht das Risiko der zu langen Bindung, unabhängig davon, ob der Vertrag gegen Geld oder gegen Daten geschlossen wird.17)

16 Auch in datenbasierten Modellen kann der Verbraucher an ein Vertragsverhältnis gebunden sein, das fortlaufend Leistungen des Unternehmers vorsieht, ohne dass er es durch eine einfache digitale Kündigungsmöglichkeit beenden kann. Hier besteht ein vergleichbares Schutzbedürfnis wie bei klassischen Dauerschuldverhältnissen „gegen Geld“. Zudem erkennt das BGB in § 312 Abs. 1a BGB ausdrücklich an, dass Verträge gegen personenbezogene Daten als „entgeltlich“ gelten können – wenn auch nur im Kontext digitaler Produkte. Eine systematische Übertragung dieses Gedankens auf § 312k BGB wäre möglich, wenn auch nicht zwingend, insbesondere besteht keine europarechtliche Notwendigkeit die Entgeltlichkeit i. S. d. § 312k BGB weit auszulegen, da die Norm rein nationalen Charakter hat und nicht auf der Umsetzung von Europarecht basiert.18)

17 Demgegenüber spricht gegen eine Anwendung, dass sich der Gesetzgeber bewusst für eine Begrenzung auf entgeltliche Verträge entschieden hat, ohne eine Gleichstellung von Daten mit Geld vorzusehen. Allerdings erstreckt § 312 Abs. 1a BGB nur die Anwendung der Kapitel 1 und 2 des Untertitels auf Verträge, bei denen der Verbraucher mit Daten bezahlt. § 312k BGB findet sich aber in Kapitel 3 des Untertitels.19) Es besteht daher ein gewichtiges Wortlaut- und Systemargument gegen eine extensive Auslegung.20) Hinzu kommt, dass als Zweck des § 312k BGB in den Gesetzgebungsmaterialien explizit der Schutz vor „Kostenfallen“ genannt wird.21) Dies schließt eine Einbeziehung bloß datenbasierter Modelle eher aus. Auch Verträge wie kostenlose Probeabos oder kostenlose Mitgliedschaften sollen nicht vom Anwendungsbereich des § 312k BGB erfasst sein.22)

18 Man muss wohl davon ausgehen, dass die Verwendung der Worte „entgeltliche Leistung“ i. S. v. § 312k Abs. 1 S. 1 BGB auf einem Redaktionsversehen beruht.23)

19 Der Gesetzgeber hat sowohl in § 312 Abs. 1 BGB als auch in § 312j Abs. 2 BGB die Wendung „Zahlung eines Preises“ verwendet. Es ist nicht ersichtlich, dass er mit § 312k BGB einen weiteren Anwendungsbereich schaffen wollte als mit den anderen verbraucherschützenden Vorschriften.

V. Fazit

20 Ob dem Verbraucher in diesem speziellen Fall mit einer Kündigungsschaltfläche in der Praxis geholfen wird, mag dahingestellt bleiben. Der BGH stärkt mit seiner Entscheidung konsequent die Rechte von Verbrauchern im digitalen Vertragswesen. § 312k BGB findet auch dann Anwendung, wenn der Verbraucher nur einmal zahlt, der Unternehmer aber dauerhaft leistet. Der funktionale Begriff des Dauerschuldverhältnisses wird damit richtigerweise vom Leistungsschuldner her gedacht. Auch nach dieser Entscheidung des BGH lässt sich der Anwendungsbereich aber nicht auf Geschäftsmodelle übertragen, bei denen der Verbraucher nicht mit Geld, sondern mit Daten bezahlt.


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Abgedruckt in WRP 2025, 1022.

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Mehr über den Autor erfahren Sie auf S. 1242.

1)

BGBl. I 2021, S. 3433.

2)

BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022 – Kündigungsschaltfläche.

3)

BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022, Rn. 16 – Kündigungsschaltfläche.

4)

OLG Hamburg, 22.08.2024 – 6 UKl 1/23, MMR 2025, 295.

5)

Vgl. BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022, Rn. 6 – Kündigungsschaltfläche.

6)

Vgl. BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022, Rn. 6 – Kündigungsschaltfläche.

7)

Vgl. BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022, Rn. 17 – Kündigungsschaltfläche.

8)

Vgl. BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022, Rn. 17 – Kündigungsschaltfläche.

9)

Vgl. BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022, Rn. 20 – Kündigungsschaltfläche; so auch Stiegler, VuR 2021, 443, 445.

10)

BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022, Rn. 21 – Kündigungsschaltfläche.

11)

BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022, Rn. 22 – Kündigungsschaltfläche.

12)

BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022, Rn. 23 – Kündigungsschaltfläche.

13)

BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022, Rn. 30 – Kündigungsschaltfläche.

14)

BGH, 22.05.2025 – I ZR 161/24, WRP 2025, 1022, Rn. 28 – Kündigungsschaltfläche.

15)

Vgl. Wendehorst, in: MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, BGB § 312k Rn. 4.

16)

BT-Drs. 19/30840, S. 16.

17)

Vgl. Stiegler, VuR 2021, 443, 445.

18)

Vgl. Buchmann/Panfili, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner, Neues Schuldrecht, 1. Aufl. 2022, § 7 Rn. 32.

19)

So auch Maume, in: BeckOK BGB, Ed. 01.05.2025, BGB § 312k Rn. 14.

20)

So auch Buchmann/Panfili, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 18), § 7 Rn. 32.

21)

BT-Drs. 19/30840, S. 16.

22)

Vgl. Buchmann/Panfili, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 18), § 7 Rn. 32.

23)

So auch Maume, in: BeckOK BGB (Fn. 19), § 312k Rn. 14; Wendehorst, in: MüKoBGB (Fn. 15), § 312k Rn. 4.