Dr. Nicholas Schoch, Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.
Aktuelle Entwicklungen zu verfahrensbeendenden Vereinbarungen im Unternehmensstrafrecht in Europa
Im Rahmen der RIW-Reihe “Update aus der Praxis” beleuchten Kristina Weiler und Dr. Nicholas Schoch, Rechtsanwälte der Sozietät Freshfields in Hamburg und Frankfurt a. M., gemeinsam mit Kollegen alle zwei Monate die neuesten Praxisentwicklungen des europäischen und internationalen Wirtschafts- und Prozessrechts. Dabei greifen sie auf ihre umfangreiche Beratungspraxis in den Bereichen Litigation & Arbitration sowie Investigations, Compliance und Risk & Crisis Management zurück und bewerten die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf Unternehmen und Berater.
Anknüpfend an die schon vor einigen Jahren erfolgte Einführung verfahrensbeendender Vereinbarungen in Großbritannien und Frankreich gewinnt die diesbezügliche Debatte wieder an Dynamik. Vor diesem Hintergrund soll im vorliegenden Beitrag – aufbauend auf einer kurzen Übersicht über die bereits bestehenden Regelungen in Großbritannien und Frankreich – die aktuelle Diskussion in der Schweiz und die Einführung derartiger Instrumente in Ungarn überblicksweise betrachtet werden. Dieser Beitrag soll dabei als erster Gedankenanstoß und Impuls für eine Diskussion über die Notwendigkeit entsprechender Werkzeuge in Deutschland dienen.
Die aktuellen Entwicklungen mit Blick auf verfahrensbeendende Vereinbarungen in Europa und die daraus erwachsenden rechtlichen und tatsächlichen Fragestellungen (Pellmann/Nadelhofer/Schoch/Paka/Mayer/Zenklusen, CB 2025, S. 323) werden derzeit zudem in einer ausführlichen Beitragsreihe im Compliance Berater von Autorinnen und Autoren aus der Schweiz (zu den Entwicklungen in der Schweiz ausführlich: Compliance Berater 10/2025), Frankreich (hierzu ausführlich: Compliance Berater 11/2025) und Deutschland (hierzu ausführlich: Compliance Berater 12/2025) im Detail beleuchtet und diskutiert.
I. Einleitung
Weltweit sehen sich Strafverfolgungsbehörden insbesondere im Bereich des Unternehmensstrafrechts immer komplexeren, internationaleren und datenintensiveren Ermittlungsverfahren gegenüber. Allein das in derartigen Verfahren teilweise anfallende Datenvolumen kann die technischen und personellen Ressourcen, über die die zuständigen Behörden verfügen, sprengen und dazu führen, dass sich Verfahren über Jahre hinziehen. Dies bindet nicht nur staatliche Ressourcen, sondern ist auch für die betroffenen Unternehmen vielfach mit erheblichen Herausforderungen und Risiken verbunden.
Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen haben sich in den USA schon vor Jahren sog. “Deferred” bzw. “Non-Prosecution Agreements” (DPA/NPA) als fester Bestandteil der Strafverfolgung von Unternehmen etabliert (hierzu II.). In Europa sind Großbritannien und Frankreich diesem Beispiel gefolgt (hierzu III. 1.). Inzwischen ist die Debatte über die Notwendigkeit derartiger Instrumentarien auch in weiteren Jurisdiktionen, insbesondere in der Schweiz (hierzu III. 2.) und in Ungarn (hierzu III. 3.), wieder aufgeflammt. In Deutschland sucht man derartige Impulse gegenwärtig vergeblich, obwohl auch hierzulande passgenaue Regelungen zu verfahrensbeendenden Vereinbarungen eine erhebliche Effizienz- und Effektivitätssteigerung im Bereich der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung von Unternehmen mit sich bringen könnten (hierzu IV.).
II. Ausgangspunkt: USA
Seinen Ausgangspunkt nahmen verfahrensbeendende Vereinbarungen im Unternehmensstrafrecht schon in den 2000ern in den USA.1 Im Zentrum stehen hierbei NPAs, in deren Rahmen ein Verzicht auf die Anklageerhebung vereinbart wird, und DPAs, die sich durch das Aussetzen der bereits erhobenen Anklage auszeichnen.2 Beiden Instrumenten ist gemein, dass sich das betroffene Unternehmen im Gegenzug für den Verzicht bzw. die Aussetzung der Anklage zur Erfüllung verschiedener Auflagen verpflichtet. Faktisch handelt es sich um vertragliche Vereinbarungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und dem Unternehmen, die die (vorläufige) Beendigung der Strafverfolgung zum Gegenstand haben. In den USA stehen dabei insbesondere die mit dem “Departement of Justice” und der “Securities and Exchange Commission” abgeschlossenen DPAs und NPAs im Zentrum der Betrachtung.3
Die Bandbreite des möglichen Inhalts derartiger Vereinbarungen ist dabei mannigfaltig: Neben Geldzahlungen beinhalten diese vielfach Maßnahmen, die die künftige Rechtstreue absichern sollen. Dies kann von der Einführung bzw. Anpassung des Compliance-Systems bis hin zur Bestellung eines Compliance-Monitors reichen.4 Zudem wird von den Unternehmen in der Regel eine umfassende Kooperation im Rahmen der weiteren Sachverhaltsaufarbeitung, beispielsweise mit Blick auf die Verfolgung der handelnden Individualpersonen, gefordert. Für eine festgesetzte “Bewährungszeit” wird die Einhaltung der Auflagen überprüft, erst nach Ablauf wird die Strafverfolgung endgültig eingestellt.
Insgesamt soll die von US-Strafverfolgungsbehörden weitreichend genutzte Möglichkeit zum Abschluss verfahrensbeendender Vereinbarungen im Unternehmensstrafrecht eine effiziente und schnelle Verfahrensbeendigung ermöglichen, ohne dass eine angemessene Sanktionierung der betroffenen Unternehmen entfällt.
III. Aktuelle Entwicklungen in Europa
Die identischen Beschleunigungs- und Effizienzerwägungen stellen sich jedoch nicht nur in den USA, sondern in gleicher Weise auch in Europa. Vor diesem Hintergrund haben in den 2010er Jahren sowohl Großbritannien als auch Frankreich (hierzu 1.) eigenständige Instrumentarien eingeführt. In der Schweiz ist vor einigen Jahren ein derartiger Vorstoß vorerst gescheitert, seit Anfang des Jahres hat die dortige Diskussion über die Einführung verfahrensbeendender Vereinbarung jedoch wieder Fahrt aufgenommen (hierzu 2.). In Ungarn ist man schon einen Schritt weiter und hat mit Wirkung zu Beginn des kommenden Jahres das Unternehmensstrafrecht reformiert und dabei auch Regelungen zu verfahrensbeendenden Vereinbarungen aufgegriffen (hierzu 3.).
1. GroĂźbritannien und Frankreich als Vorreiter
Großbritannien hat bereits im Jahr 2013 mit dem “Crime and Courts Act” die Möglichkeit von verfahrensbeendenden Vereinbarungen mit Unternehmen mittels DPA eingeführt.5 Danach können der “Director of Public Prosecution” sowie der “Director of the Serious Fraud Office”6 verfahrensbeendende Vereinbarungen mit Unternehmen (nicht jedoch mit natürlichen Personen), gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen bestimmter Wirtschafts- und Finanzdelikte, darunter unter anderem Betrug, Bestechung, Geldwäsche und einige Steuerdelikte, geführt wird7, abschließen. Im Rahmen eines solchen DPA verpflichtet sich das betroffene Unternehmen zur Einhaltung bestimmter Auflagen, etwa zur Zahlung von Geldbußen, der Entschädigung von Opfern, der Abschöpfung von durch die vorgeworfene Tat erlangten Gewinnen, der Durchführung von Compliance-Maßnahmen oder der umfassenden Mitwirkung an den Ermittlungen hinsichtlich der in Rede stehenden Delikte.8 Zudem muss das DPA ein “Statement of Facts”, also eine Sachverhaltsdarstellung des den vorgeworfenen Straftaten zugrundeliegenden Lebenssachverhalts, enthalten.9 Im Gegenzug erklärt sich die Staatsanwaltschaft bereit, die strafrechtlichen Ermittlungen für die Dauer der Vereinbarung auszusetzen.
Bei einem Verstoß gegen die Auflagen kann das zuständige Gericht auf Antrag der Strafverfolgungsbehörde das DPA beenden; in diesem Fall wird das Strafverfahren wieder aufgenommen.10 Wird das DPA hingegen ordnungsgemäß erfüllt, ist die Strafverfolgung nach Ablauf der vereinbarten Frist endgültig einzustellen und es dürfen wegen derselben Tat grundsätzlich keine neuen Strafverfahren eingeleitet werden.11
Anders als in den USA erfordert der Abschluss eines DPA in Großbritannien eine gerichtliche Zustimmung in einem zweistufigen Prüfungsverfahren: Zunächst erklärt der zuständige “Crown Court” in nicht-öffentlicher Sitzung, dass der Abschluss des DPA im Interesse der Justiz liegt und die vorgeschlagenen Bedingungen fair, angemessen und verhältnismäßig sind.12 Anschließend kann nach Einigung über die endgültigen Bedingungen der verfahrensbeendenden Vereinbarung die gerichtliche Bestätigung in einer Hauptanhörung erfolgen. Im Falle der Bestätigung des DPA durch das Gericht muss dies, einschließlich der Begründung der Entscheidung, in einer öffentlichen Sitzung erfolgen; zudem ist das DPA zu veröffentlichen.13
In GroĂźbritannien besteht somit seit nunmehr etwas mehr als 10 Jahren die Möglichkeit, Ermittlungsverfahren gegen Unternehmen effizient, schnell und passgenau auch ohne Verurteilung zu beenden. Frankreich ist diesem Beispiel nur wenige Jahre später gefolgt. Mit der Verabschiedung des französischen Antikorruptionsgesetzes Sapin II14 wurde 2017 die sog. “Convention judicaire d’intĂ©rĂŞt public” (CJIP) eingefĂĽhrt, um Unternehmen, denen insbesondere Korruptions-, Steuer- oder weitere Wirtschaftsstraftaten vorgeworfen werden, eine auĂźergerichtliche Einigung mit den Strafverfolgungsbehörden zu ermöglichen. Die französische Staatsanwaltschaft (v. a. das “Parquet national financier”) kann somit bereits vor Erhebung der öffentlichen Anklage eine verfahrensbeendende Vereinbarung zwischen Strafverfolgungsbehörden, Gericht und Unternehmen anregen. Im Rahmen einer solchen Vereinbarung können – im Gegenzug zum Verzicht auf eine öffentliche Anklageerhebung – u. a. Geldzahlungen (bis zur Höhe von 30 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes, verteilt auf maximal fĂĽnf Jahre) vereinbart werden. DarĂĽber hinaus können auch Opferentschädigungen sowie die EinfĂĽhrung oder Anpassung eines Compliance-Programms unter Kontrolle der französischen Anti-Korruptionsbehörde (AFA) Bestandteil der Einigung sein.15 Die CJIP bedarf der richterlichen Bestätigung. Mit der richterlichen Bestätigung entfällt ein Strafverfahren gegen das Unternehmen; individuelle Verantwortlichkeiten natĂĽrlicher Personen, insbesondere von FĂĽhrungskräften, bleiben hiervon unberĂĽhrt.
2. Aktuelle Diskussion in der Schweiz
Anknüpfend an die Entwicklungen in Großbritannien und Frankreich gab es schon vor einigen Jahren auch in der Schweiz eine Initiative, das nationale Unternehmensstrafrecht durch Regelungen zu verfahrensbeendenden Vereinbarungen zu erweitern und den Strafverfolgungsbehörden damit ein zusätzliches Instrument an die Hand zu geben.16 Nachdem diese Initiative zwischenzeitlich gescheitert war, hat die Debatte Anfang dieses Jahres wieder Fahrt aufgenommen. Ausgangspunkt bildete insoweit die Beauftragung des Schweizer Bundesrats zur Prüfung des strafprozessualen Instruments der aufgeschobenen Anklageerhebung vom 25. 2. 2025.17 Danach obliegt es nunmehr dem Schweizer Bundesrat, zu prüfen, welche Vor- und Nachteile18 mit der Einführung des strafprozessualen Instruments der aufgeschobenen Anklageerhebung einhergehen würden und wie ein solches Instrument in das Schweizer Straf- und Strafprozessrecht implementiert werden könnte.
Auch die Schweizer Bundesanwaltschaft hat das Thema aufgegriffen und die Debatte vorangetrieben. So hob der Schweizer Bundesanwalt Dr. Stefan Blättler im Editorial zum Tätigkeitsbericht der Schweizer Bundesanwaltschaft für das Jahr 2024 hervor, dass die Verurteilung eines Unternehmens in der Schweiz an zahlreiche strenge Bedingungen geknüpft sei, sodass es auch aus Sicht der Bundesanwaltschaft hilfreich wäre, diesen “Hindernislauf” durch einen Vergleich mit dem betroffenen Unternehmen abkürzen zu können.19 Im weiteren Verlauf dieses Tätigkeitsberichts fordert die Bundesanwaltschaft ganz konkret “die Schaffung der Möglichkeit, mit Unternehmen, die mutmaßliche Fälle im Bereich des Unternehmensstrafrechts (Art. 102 StGB) selbst anzeigen oder mit den Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der Strafuntersuchung umfassend kooperieren, eine Vergleichslösung zu finden, die ihnen eine Verurteilung erspart”.20 In einem derartigen Vergleich, der nach Aushandlung mit der Bundesanwaltschaft auch von einem Gericht genehmigt werden soll, soll u. a. die Verpflichtung zur Zahlung eines Betrags in Höhe der Geldbuße, zur Rückzahlung unrechtmäßig erzielter Gewinne sowie zur Schadenswiedergutmachung und zur Reformierung der Unternehmensstrukturen festgehalten werden.21 In der zugehörigen Medienmitteilung wird unter Verweis auf die lange Dauer der Verfahren gegen die Rohstoffunternehmen Gunvor und Glencore dargelegt, dass die Schaffung eines dem US-amerikanischen DPA oder dem französischen CJIP vergleichbaren Instrumentariums die Strafverfolgung im komplexen und oftmals mit lang andauernden Verfahren verbundenen Unternehmensstrafrecht “effizienter und effektiver” machen würde.22
3. Reform des Unternehmensstrafrechts in Ungarn
In Ungarn ist man bereits einen Schritt weiter und überarbeitet derzeit das Unternehmensstrafrecht.23 Die im Juni dieses Jahres beschlossenen Anpassungen sollen ab dem kommenden Jahr Wirkung entfalten. Die neuen Regelungen sollen es dabei Unternehmen im Falle einer strafrechtlichen Verfolgung ermöglichen, eine verfahrensbeendende Vereinbarung mit den Strafverfolgungsbehörden abzuschließen. Derartige Vereinbarungen waren bisher nur für Individualpersonen vorgesehen,24 sollen jetzt aber auch im Bereich des Unternehmensstrafrechts ermöglicht werden. Sie sind jedoch ausweislich der neuen Vorgaben nur möglich, wenn das beteiligte Unternehmen seine Beteiligung an der in Rede stehenden Straftat und den zugrundeliegenden Sachverhalt einräumt (auch in den USA bildet ein “Statement of Facts” einen integralen Bestandteil von verfahrensbeendenden Vereinbarungen, auch wenn mit diesem kein förmliches Schuldanerkenntnis einhergeht25), zudem vollständig mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert sowie den durch die Straftat entstandenen Schaden ersetzt.26 In solchen Konstellationen können künftig verfahrensbeendende Vereinbarungen sowohl im Ermittlungs- als auch im Rahmen eines laufenden gerichtlichen Verfahrens abgeschlossen werden, um das jeweilige Verfahren effizient zu beenden und gleichzeitig im Rahmen der Vereinbarung passgenaue Sanktionen für das betroffene Unternehmen zu vereinbaren, die im Bestfall zukünftiges Fehlverhalten verhindern.
IV. Welche Auswirkungen hat die aktuelle Entwicklung auf Deutschland?
Betrachtet man vor dem Hintergrund der unter III. dargestellten Entwicklungen in Europa – insbesondere den neuesten Diskussionen zur Einführung verfahrensbeendender Vereinbarungen in der Schweiz – die deutsche Diskussion, fehlt es derzeit an vergleichbaren Impulsen. Während der von der Ampelregierung ausgearbeitete Koalitionsvertrag der 20. Legislaturperiode27 zumindest noch einen Absatz mit der schlussendlich nicht umgesetzten Zielsetzung der Überarbeitung der Vorschriften für Unternehmenssanktionen enthielt28, sieht der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode29 keine Überarbeitung des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) mit Blick auf die Sanktionierung von Unternehmen mehr vor.
Auch wenn es in Deutschland – anders als beispielsweise in der Schweiz und Großbritannien – an einem genuinen Unternehmensstrafrecht fehlt, könnten verfahrensbeendende Vereinbarungen auch hierzulande eine geeignete Lösung darstellen, um die Effizienz von Verfahren gegen Unternehmen nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht zu erhöhen, Ressourcen zu schonen und gleichzeitig Compliance-Bemühungen von Unternehmen nachhaltig zu stärken. Bisher fehlt es jedoch nicht nur an dezidierten Regelungen zu verfahrensbeendenden Vereinbarungen im Bereich der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung von Unternehmen; die derzeitigen Regelungen stehen derartigen Vereinbarungen vielmehr sogar diametral entgegen, da sie – anders als im Individualstrafrecht – eine Einstellung gegen Geldauflagen ausdrücklich untersagen.30 Gleichzeitig stellen sich für Strafverfolgungsbehörden und Unternehmen auch im ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren zumindest teilweise diejenigen Herausforderungen, die in Großbritannien und Frankreich zur Einführung verfahrensbeendender Vereinbarungen geführt und in der Schweiz zur Wiederaufnahme der diesbezüglichen Debatte beigetragen haben.
Ein passgenauer, rechtlich verbindlicher Rahmen für die Kooperation zwischen Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden würde nicht nur die Rechtssicherheit intensivieren, sondern auch wirksame Anreize für Unternehmen schaffen, interne Untersuchungen durchzuführen und mit den Behörden zu kooperieren.31 Bei der Diskussion über die Einführung derartiger Instrumentarien sollte man die bereits in Großbritannien und Frankreich gewonnen Erkenntnisse einbeziehen, um unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile verfahrensbeendender Vereinbarungen32 einen möglichst passgenauen Rechtsrahmen zu schaffen, der den verschiedenen Interessen und Bedürfnissen angemessen Rechnung trägt.

Dr. Nicholas Schoch ist Rechtsanwalt bei Freshfields in Frankfurt a. M. Er ist spezialisiert auf Compliance- & Governance-Fragen sowie komplexe, grenzüberschreitende Untersuchungen und das damit einhergehende Prozess-, Risko- und Krisenmanagement. Zudem berät und vertritt er nationale und internationale Mandanten in Rechtsstreitigkeiten, insbesondere im Nachgang zu komplexen Untersuchungen.
Zuvor wurden derartige Instrumentarien in den USA insbesondere im Bereich des Jugendstrafrechts eingesetzt und in den 2000ern sodann auch auf den Bereich des Unternehmensstrafrechts übertragen; hierzu ausführlich m. w. N.: Stuckenberg, Gedächtnisschrift für Wolfgang Joecks, S. 331.
Ausführlich zu den Vor- und Nachteilen derartiger Instrumentarien: Pellmann/Nadelhofer/Schoch/Paka/Mayer/Zenklusen, CB 2025, S. 323 (324).
Vgl. hierzu auch Momsen/Helms/Washington, in: Momsen/Grützner, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 14, Rn. 6 ff.
Hierzu ausfĂĽhrlich: Reyhn, CCZ 2011, 48.
Crime and Courts Act 2013, Schedule 17.
Crime and Courts Act 2013, Schedule 17, Part 1, Sec. 3 (1).
Die Straftatbestände, bei denen der Abschluss eines DPA in Betracht kommt, sind in Schedule 17, Part 2 aufgelistet.
Crime and Courts Act 2013, Schedule 17, Part 1, Sec. 5 (3) enthält eine nicht abschließende Aufzählung möglicher Auflagen.
Crime and Courts Act 2013, Schedule 17, Part 1, Sec. 5 (1): “A DPA must contain a statement of facts relating to the alleged offence, which may include admissions made by P”.
Crime and Courts Act 2013, Schedule 17, Part 1, Sec. 9.
Crime and Courts Act 2013, Schedule 17, Part 1, Sec. 11.
Crime and Courts Act 2013, Schedule 17, Part 1, Sec. 7.
Crime and Courts Act 2013, Schedule 17, Part 1, Sec. 8.
Wessing/Dann, in: Volk/Beukelmann, Münchner Anwaltshandbuch Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 4, Rn. 35.
Stuckenberg, Gedächtnisschrift für Wolfgang Joecks, S. 331 (341 f.); Schumacher/Saby, CCZ 2017, 68 (69); Sahbatoum, EuZW 2022, 59 (62).
AusfĂĽhrlich zu den Entwicklungen in der Schweiz: Nadelhofer/Paka/Zerklusen, CB 10/2025 (im Erscheinen).
Postulat 25.3028, abrufbar unter: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20253028 (zuletzt abgerufen: 1. 8. 2025).
Vgl. mit Blick auf die Vor- und Nachteile derartiger Instrumente ausführlich: Pellmann/Nadelhofer/Schoch/Paka/Mayer/Zenklusen, CB 2025, S. 323 (324).
Tätigkeitsbericht 2024 der Schweizer Bundesanwaltschaft, abrufbar unter: https://www.bundesanwaltschaft.ch/mpc/de/home/taetigkeitsberichte/taetigkeitsberichte-der-ba.html (zuletzt abgerufen: 1. 8. 2025), S. 3: “In der Schweiz ist die Verurteilung eines Unternehmens an zahlreiche strenge Bedingungen geknĂĽpft. Die Bundesanwaltschaft böte Hand, diesen Hindernislauf durch einen Vergleich abzukĂĽrzen. Leider fehlen dafĂĽr die gesetzlichen Instrumente, wie sie die USA in Form des Deferred Prosecution Agreements (DPA) oder auch Frankreich mit der Convention judiciaire d’intĂ©rĂŞt public (CJIP) kennen. Ein gerichtlich abgesegnetes Instrument böte zahlreiche Vorteile: Das Unternehmen mĂĽsste den verursachten Schaden wieder gut machen und sich verpflichten, kĂĽnftig «sauber» zu wirtschaften. Dabei wĂĽrde das Unternehmen von der Justiz begleitet und kontrolliert. Das Unternehmen profitiert davon, dass es nicht verurteilt wird.”
Tätigkeitsbericht 2024 der Schweizer Bundesanwaltschaft, abrufbar unter: https://www.bundesanwaltschaft.ch/mpc/de/home/taetigkeitsberichte/taetigkeitsberichte-der-ba.html (zuletzt abgerufen: 1. 8. 2025), S. 29.
Tätigkeitsbericht 2024 der Schweizer Bundesanwaltschaft, abrufbar unter: https://www.bundesanwaltschaft.ch/mpc/de/home/taetigkeitsberichte/taetigkeitsberichte-der-ba.html (zuletzt abgerufen: 1. 8. 2025), S. 29.
https://www.news.admin.ch/de/nsb?id=104740 (zuletzt abgerufen: 1. 8. 2025).
Vgl. Changes in corporate criminal liability in Hungary: plea deals for companies, abrufbar unter: https://www.schoenherr.eu/content/changes-in-corporate-criminal-liability-in-hungary-plea-deals-for-companies#:~:text=Conditions%20for%20plea%20deals,that%20no%20repeat%20offences%20occur (zuletzt abgerufen: 1. 8. 2025); Hungary in process of amending its corporate criminal liability regime, abrufbar unter: https://cms-lawnow.com/en/ealerts/2025/07/hungary-in-process-of-amending-its-corporate-criminal-liability-regime (zuletzt abgerufen: 1. 8. 2025).
Changes in corporate criminal liability in Hungary: plea deals for companies, abrufbar unter: https://www.schoenherr.eu/content/changes-in-corporate-criminal-liability-in-hungary-plea-deals-for-companies#:~:text=Conditions%20for%20plea%20deals,that%20no%20repeat%20offences%20occur (zuletzt abgerufen: 1. 8. 2025).
Hierzu ausführlich: Momsen/Helms/Washington, in: Momsen/Grützner, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 14 Rn. 30ff.
Changes in corporate criminal liability in Hungary: plea deals for companies, abrufbar unter: https://www.schoenherr.eu/content/changes-in-corporate-criminal-liability-in-hungary-plea-deals-for-companies#:~:text=Conditions%20for%20plea%20deals,that%20no%20repeat%20offences%20occur (zuletzt abgerufen: 1. 8. 2025).
Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/870238/cf3d58c538b983e957d459ec6c7baee9/koalitionsvertrag.pdf (zuletzt abgerufen: 1. 8. 2025).
“Wir überarbeiten die Vorschriften der Unternehmenssanktionen einschließlich der Sanktionshöhe, um die Rechtssicherheit von Unternehmen im Hinblick auf Compliance-Pflichten zu verbessern und für interne Untersuchungen einen präzisen Rechtsrahmen zu schaffen.”; Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, S. 111, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/870238/cf3d58c538b983e957d459ec6c7baee9/koalitionsvertrag.pdf (zuletzt abgerufen: 1. 8. 2025).
Verantwortung für Deutschland – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, abrufbar unter: https://www.cdu.de/app/uploads/2025/04/Koalitionsvertrag-%E2%80 %93–barrierefreie-Version.pdf (zuletzt abgerufen 1. 8. 2025).
Vgl. § 47 Abs. 3 OWiG.
In der schon im Einleitungsteil in Bezug genommenen umfassenden Beitragsreihe im Compliance Berater wird sich der in der Dezemberausgabe 2025 erscheinende Beitrag (Teil 4: CB 12/2025) ausführlich mit den Möglichkeiten der Ausgestaltung eines derartigen Rechtsrahmens in Deutschland auseinandersetzen.
Hierzu ausführlich: Pellmann/Nadelhofer/Schoch/Paka/Mayer/Zenklusen, CB 2025, S. 323.



