Wettbewerb in Recht und Praxis
Zur Abgrenzung neutraler journalistischer Äußerungen und Konkurrentenwerbung
Quelle: Wettbewerb in Recht und Praxis 2025 Heft 10 vom 25.09.2025, Seite 1268

Zur Abgrenzung neutraler journalistischer Äußerungen und Konkurrentenwerbung

Zugleich Besprechung von OLG Stuttgart, 11.06.2025 – 4 U 50/25**

RA Moritz Lange, Berlin*

INHALT

I. Zum Sachverhalt
II. Zur Entscheidung des OLG Stuttgart
III. Kritische Würdigung
IV. Fazit

Die Grenzen zwischen zulässigen öffentlichen Äußerungen und wettbewerbsrechtlich relevanten, weil unzulässigen Behauptungen entziehen sich regelmäßig einer schematischen Einordnung. Die Abgrenzung zwischen klassischen äußerungsrechtlichen Ansprüchen und solchen aus UWG bedarf daher einer detaillierten Prüfung der jeweiligen Voraussetzungen anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls. Diese bereitet regelmäßig besondere Schwierigkeiten, sobald sich nicht mehr nur zwei vermeintliche Konkurrenten gegenüberstehen, sondern Handlungen Dritter dazwischentreten. In seinem Urteil vom 11.06.2025 zum Az. 4 U 50/25 befasst sich das OLG Stuttgart mit ebenjener Konstellation und prüft dabei instruktiv die Voraussetzungen des wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs bei vergleichender Werbung.

I. Zum Sachverhalt

1 Die Verfügungsbeklagten sind Betreiber eines Online-Portals, auf dem Produkttests aus verschiedenen Warenkategorien veröffentlicht werden. Die Verfügungsklägerin produziert Gaming-Stühle und wendet sich gegen einen negativ ausgefallenen Testbericht der Verfügungsbeklagten hinsichtlich eines ihrer Produkte. Diese hatten in dem betreffenden Testbericht nicht nur den Stuhl der Verfügungsklägerin negativ bewertet, sondern gleichzeitig auch ein Konkurrenzprodukt positiv hervorgehoben. Mit dem Hersteller des Konkurrenzprodukts bestand auf Seiten der Verfügungsbeklagten eine Affiliate-Vereinbarung, sodass über eine entsprechende URL im Testbericht direkt auf das dort positiv erwähnte Produkt im Webshop des Konkurrenten verlinkt wurde. Sofern über die Nutzung dieses Links ein tatsächlicher Verkauf stattfand, erhielten die Verfügungsbeklagten hierfür eine Kommission. Die Verfügungsklägerin wendet sich in diesem Zusammenhang gegen eine Vielzahl von kritischen Äußerungen hinsichtlich ihres Produkts, beispielsweise:

„5 Jahre Pseudo-Garantie: Auf den A. bekommst du 5 Jahre ‚Garantie‘, die gemäß Garantieausschlüssen wohl nur auf’s Fußkreuz und den Rahmen gilt. Eine echte Nicht-Garantie.“

„Aber! Jetzt hat R. A, Insolvenz angemeldet. Ja, nicht R. Gaming, aber ich denk mir, es hängt eh alles miteinander zusammen. Also ob ihr jetzt in den nächsten 5 Jahren noch Garantieansprüche stellen könnt, ist fraglich. Mal schauen wie es sich noch mit R. in der nächsten Zeit entwickeln wird.“

„Bitterer Beigeschmack ist das Marketing von R. (…) Da wurden wirklich Sachen dazu gedichtet. Es wirkt schon so wie, wir erzählen irgendeinen vom Pferd, Hauptsache die kaufen unsern Stuhl. Für mich hat das so ein bisschen ‚Verarschen-Vibes‘, so als ob die ihre Kunden wirklich verarschen wollten, Hauptsache sie kaufen den Stuhl irgendwie.“1)

2 In erster Instanz hat das LG Stuttgart den Verfügungsbeklagten einen Teil der beanstandeten Äußerungen wegen Irreführung untersagt. Beide Parteien haben hiergegen Rechtsmittel eingelegt. Die Verfügungsbeklagten sind der Auffassung, ihre Äußerungen seien Ausfluss neutraler journalistischer Arbeit und folglich verfassungsrechtlich geschützt. Die Verfügungsklägerin hingegen begehrt auch das Verbot aller weiteren von ihr beanstandeten Äußerungen.

II. Zur Entscheidung des OLG Stuttgart

3 Das OLG Stuttgart hat das Urteil der Vorinstanz im Ergebnis bestätigt, überdies auch sämtliche weitere von der Verfügungsklägerin beanstandeten Äußerungen der Verfügungsbeklagten hinsichtlich des in Rede stehenden Gaming-Stuhls untersagt und die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückgewiesen.2)

4 Die Verfügungsklägerin ist nach Ansicht des Senats Mitbewerberin im Sinne von §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG. Zwar stünden die Parteien mangels gleichartigem Waren- bzw. Dienstleistungsangebot nicht in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis zueinander. Jedoch sei hier ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis gegeben, da die Verfügungsbeklagten ein Unternehmen förderten, welches wiederum mit der Verfügungsklägerin in unmittelbarem Wettbewerb steht.3)

5 Ferner handele es sich bei der streitgegenständlichen Veröffentlichung eines Testberichts gerade nicht um grundrechtlich geschützte journalistische Inhalte, sondern vielmehr um eine geschäftliche Handlung zu Gunsten eines Drittunternehmens. Die Verfügungsbeklagten seien in diesem Zusammenhang gerade nicht neutral und unabhängig, sondern stünden über die Affiliate-Vereinbarung in einer konkreten wirtschaftlichen Beziehung zum Hersteller des Konkurrenzprodukts, dessen Absatz durch die Äußerungen der Verfügungsbeklagten gefördert werden sollte. Daher seien die streitgegenständlichen Äußerungen entgegen der Auffassung des LG Stuttgart als Werbung einzuordnen, weshalb sich deren Zulässigkeit nicht nach § 4 Nr. 1 UWG, sondern nach dem spezielleren § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG bemisst und dessen Voraussetzungen das OLG Stuttgart – in Abgrenzung zum Äußerungsrecht – mit dem Ergebnis prüft, dass die streitgegenständlichen Äußerungen unzulässig sind.4)

6 Zwar kann vergleichende Werbung grundsätzlich zulässig sein. Vorliegend werde das Produkt der Verfügungsklägerin bei der vorzunehmenden Würdigung der streitgegenständlichen Äußerungen im Gesamtzusammenhang der betreffenden Angaben jedoch in unzulässiger Weise herabgesetzt.5) Maßgeblich sei insoweit der Sinngehalt der jeweiligen Äußerung, wie dieser vom angesprochenen Verkehr verstanden wird.6) Nach Ansicht des Senats bringe die Bewertung des Verhaltens der Verfügungsklägerin durch die Verfügungsbeklagten mehr als deutlich zum Ausdruck, dass diese ihre Kunden täuschen und mit Unwahrheiten zum Kauf motivieren wolle. Die gesamte Berichterstattung zeichne sich ferner dadurch aus, dass die Verfügungsbeklagten eine Vielzahl von Synonymen für das Wort „lügen“ verwende – dies insbesondere auch an hervorgehobenen Stellen des Testberichts wie beispielsweise der Überschrift. Dabei richte sich die von den Verfügungsbeklagten geäußerte Kritik am Gaming-Stuhl der Verfügungsklägerin in erster Linie auf Gesichtspunkte, die nach Ansicht des Senats für die Kaufentscheidung der angesprochenen Verbraucher zwar von eher untergeordneter Bedeutung sei. Gleichzeitig wird mit der Bewertung des Produkts der Verfügungsklägerin nach außen der Eindruck einer neutralen Testung suggeriert, in Wirklichkeit aber würden erkennbar und vorrangig eigene wirtschaftliche Ziele verfolgt und im Fazit der Bewertung der Stuhl des Konkurrenzunternehmens empfohlen. Damit sei nach Ansicht des Senats in der Gesamtschau der Tatbestand der unzulässigen vergleichenden Werbung erfüllt.7)

III. Kritische Würdigung

7 Das OLG Stuttgart nimmt den vorliegenden Sachverhalt zum Anlass, die Abgrenzungskriterien zur Einordnung von öffentlichen Äußerungen als Werbung ausführlich aufzuarbeiten. Grundsätzlich sind Bewertungs- und Vergleichsportale im Internet im Hinblick auf die Meinungs- und Äußerungsfreiheit zwar als zulässig anzusehen. Die lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit der auf solchen Portalen verbreiteten Äußerungen verbleibt jedoch im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, denn insbesondere Waren- und Dienstleistungstests sind hochgradig geeignet, Kaufentscheidungen von Verbrauchern und damit den Absatz von Testprodukten positiv oder nachteilhaft zu beeinflussen. Wenn solche Tests neutral und sachkundig erfolgen und ihre Ergebnisse entsprechend präsentiert werden, die Tester sich um objektive Richtigkeit bemühen und insbesondere die angewandten Prüfungsmethoden und die hieraus gewonnen Schlussfolgerungen vertretbar erscheinen, dienen sie grundsätzlich nicht der Absatzförderung, sodass keine Anwendbarkeit des UWG gegeben ist.

8 Wenn – wie im hiesigen Fall – die Verfügungsbeklagten jedoch im Rahmen des Testberichts ein Konkurrenzprodukt über einen Affiliate-Link bewerben, kann von einer etwaigen Neutralität der Testergebnisse schlechterdings nicht mehr gesprochen werden. Im Rahmen der Affiliate-Vereinbarung hängt der Verdienst der Verfügungsbeklagten gerade am konkreten Absatz des verlinkten Produkts. Dabei können redaktioneller Teil und Werbung, im Vergleich beispielsweise zur absatzunabhängig vergüteten Bannerwerbung, weder sprachlich noch optisch voneinander getrennt durch den angesprochenen Verkehr wahrgenommen werden. Aus diesem Umstand resultiert eine ungleich stärkere Verbindung der Tester zu dem in Rede stehenden Produkt und folgerichtig die Neigung, gerade das betreffende Produkt positiv hervorzuheben – zum direkten Nachteil des Konkurrenten. In diesem Fall kann offenkundig nicht mehr von einer ausgewogenen Produktbewertung gesprochen werden, was das OLG Stuttgart in diesem Fall zu Recht festgestellt hat.

IV. Fazit

9 Das Urteil verdeutlicht nochmals, wie gründlich bei der Prüfung sowohl hinsichtlich des Vorliegens eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien als auch bei der in diesem Zusammenhang notwendigen Abgrenzung von „nur“ äußerungsrechtlich relevanten und wettbewerbsrechtlich einzuordnenden Äußerungen vorgegangen werden muss. Der Tatbestand der Absatzförderung für Dritte gerät dabei häufig in den Hintergrund, darf aber freilich nicht übersehen werden, wie die vorstehende Sachverhaltskonstellation eindrucksvoll belegt. Gleiches gilt für die konkrete Einordnung der betreffenden Äußerungen als Werbung.

Anm. der Redaktion:

Die hier besprochene Entscheidung des OLG Stuttgart, 11.06.2025 – 4 U 50/25 – Gaming-Stühle ist abgedruckt in WRP 2025, 1368 (in diesem Heft).

Lesen Sie vom Autoren Lange auch den Beitrag Keine Auskunftsverpflichtung hinsichtlich der Vertriebswege nur möglicherweise markenverletzender Waren – Zugleich Besprechung von BGH, 07.11.2024 – I ZB 31/24 – Zur Auslegung eines Vollstreckungstitels über Erteilung einer Auskunft auf markenrechtlicher Grundlage (wiederum abgedruckt in WRP 2025, 191 ff.) in WRP 2025, 850 ff.


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Abgedruckt in WRP 2025, 1368 ff. (in diesem Heft).

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Mehr über den Autor erfahren Sie auf S. 1385.

1)

LG Stuttgart, 23.10.2024 – 38 O 35/24, n. v.

2)

OLG Stuttgart, 11.06.2025 – 4 U 50/25, WRP 2025, 1368, Rn. 5.

3)

OLG Stuttgart, 11.06.2025 – 4 U 50/25, WRP 2025, 1368, Rn. 11 ff.; BGH, 05.11.2020 – I ZR 234/19, WRP 2021, 184 – Zweitmarkt für Lebensversicherungen; BGH, 24.02.2022 – I ZR 128/21, WRP 2022, 727 – Zweitmarkt für Lebensversicherungen II.

4)

OLG Stuttgart, 11.06.2025 – 4 U 50/25, WRP 2025, 1368, Rn. 23 ff.

5)

OLG Stuttgart, 11.06.2025 – 4 U 50/25, WRP 2025, 1368, Rn. 36 ff.; BGH, 19.05.2011 – I ZR 147/09, WRP 2012, 77 – Coaching Newsletter mit Anm. Köhler, WRP 2012, 82 f.

6)

OLG Stuttgart, 11.06.2025 – 4 U 50/25, WRP 2025, 1368, Rn. 45; BGH, 17.12.2015 – I ZR 219/13, GRUR-RR 2016, 410 – Dr. Estrich.

7)

OLG Stuttgart, 11.06.2025 – 4 U 50/25, WRP 2025, 1368, Rn. 46 ff.