Diversity in Recht und Wirtschaft
A little respect!
Quelle: Diversity in Recht und Wirtschaft 2025 Heft 03 vom 08.10.2025, Seite 86


Christoph Oscar Hofbauer

A little respect!

Gendern, Schokoküsse und der Papst – Inklusive Kommunikation könnte so einfach sein . . .

Stimmungsmache und Verbote statt offener Debatte

Nach vielfachen “Genderverboten” in mehreren Bundesländern legt nun der Kulturstaatsminister nach und verbietet die Verwendung geschlechtergerechter Sprache mit Sonderzeichen in seiner Behörde. Zudem möchte er kulturelle Einrichtungen dazu bewegen, seinem vermeintlichen Vorbild zu folgen. Wieder einmal sind geschlechtergerechte Sprache und die Empörung darüber in aller Munde.

Vielen geht es gar nicht um die Beschäftigung mit der eigentlichen Debatte. Es geht um Stimmungsmache, Klickzahlen und darum, die Gesellschaft weiter zu spalten. Die Diskussion wirkt häufig äußerst festgefahren.

Perspektivwechsel: Worum geht es eigentlich?

Ein Lösungsansatz besteht darin, bei der “Problembetrachtung” unseren Blickwinkel zu verändern. Statt über grammatikalisch problematische Sonderzeichen zu philosophieren, sollte es vielmehr um die dahinterstehenden Anliegen gehen: Was ist die Motivation einer geschlechtergerechten Sprache? Worum geht es bei inklusiver Kommunikation eigentlich?

Natürlich geht es um sprachliche Teilhabe, um Sichtbarkeit und darum, dass Sprache eine große Wirkung auf unser Denken und Handeln hat. Es geht auch darum, dass geschlechtergerechte Sprache eine Auswirkung auf die Wahrnehmung von Berufschancen bei Kindern hat und dazu beiträgt, Diskriminierung abzubauen, was vielfach in Studien belegt wurde.

Respekt beginnt bei der Sprache

Ich möchte Sie einladen, den Blick auch noch auf etwas anderes zu werfen: Es geht aus meiner Sicht vor allem um Respekt. Es geht darum, einander respektvoll zu begegnen, einander respektvoll anzusprechen, mit- und übereinander respektvoll zu sprechen.

Dieser Respekt hat auch damit zu tun, Bezeichnungen für Menschen zu wählen, mit denen sie sich selbst identifizieren. Selbstbezeichnungen statt Fremdbezeichnungen. Sprache ist identitätsstiftend und die sprachliche Hoheit über Bezeichnungen für Gruppen ist ein wesentliches Werkzeug für Identitätsstiftung. Manche Bezeichnungen erscheinen für Außenstehende oft ungewohnt, wirken aufgrund der geografischen oder emotionalen Distanz vielleicht “übertrieben”. Dann hilft Hinterfragen: Wie viel Wissen ist über die angesprochene Gruppe tatsächlich vorhanden? Habe ich mich schon mal damit beschäftigt? Habe ich schon mal versucht, zu verstehen, warum bestimmte Begriffe nicht mehr erwünscht sind? Über Hintergründe Bescheid zu wissen, sich für diese Hintergründe überhaupt erst zu interessieren, sich zu informieren und nachzufragen, ist die Grundlage eines respektvollen Miteinanders.

HintergrĂĽnde verstehen statt ignorieren

Sobald ich weiß, dass das Z-Wort dafür verwendet wurde, Sinti und Roma zu Menschen zweiter Klasse zu degradieren, was zum Völkermord führte, möchte ich den Ausdruck gar nicht mehr verwenden. Sobald ich weiß, dass das N-Wort jedes Mal jahrhundertelange Unterdrückung und Kolonialgeschichte mitschwingen lässt, komme ich selbst zu dem Schluss, es nicht mehr verwenden zu wollen. Sobald ich weiß, dass die indigenen Völker Nordamerikas in Reservate getrieben wurden, möchte ich mit meinen Kindern nicht mehr “Cowboy und Indianer” spielen, oder mich im Karneval entsprechend verkleiden. Wenn ich anfange, die Lebensrealität von diskriminierten Gruppen etwas zu verstehen, mich mit Hintergründen und geschichtlichem Kontext beschäftige, werde ich aus Respekt davon Abstand nehmen, Begrifflichkeiten, die immer wieder den Finger in die Wunde legen, zu verwenden.

Ignoranz ist keine Haltung

Wenn Prominente immer wieder damit in die Schlagzeilen geraten, dass sie diskriminierende Begriffe verwenden, glänzen sie vor allem durch Unwissenheit und Ignoranz. Der Musiker Heinz Rudolf Kunze führte es kürzlich ad absurdum: “Ich lasse mir nicht vorschreiben, mit welchen Worten ich Menschen respektiere.” Er stellt dabei seine Sicht absolut und blendet völlig aus, dass es nicht nur darum geht, wie Botschaften gesendet werden, sondern vor allem auch darum, wie sie ankommen.

Namen als Teil der Identität

Es ist selbstverständlich, Bekannte und Freund*innen mit dem gewünschten Ruf- oder Spitznamen anzusprechen – und nicht etwa auf den im Pass genannten ersten (vollständigen) Vornamen zu bestehen. Im religiösen Kontext wird ohne Probleme über Nacht aus Robert Francis Prevost Papst Leo XIV. – ein neuer selbstgewählter Name! Weshalb fällt es manchen Leuten dann so schwer, sich bei trans Personen an “neue” Namen oder Pronomen zu gewöhnen? An Namen, die der selbstbestimmten Identität dieser Personen viel mehr gerecht werden als die bei Geburt zugewiesenen Namen? An eine Bezeichnung, die die Person in ihrer Identität respektiert? Ganz abgesehen davon, dass bei sämtlichen Gender-Sonderzeichen-Verboten völlig ausgeklammert wird, dass nichtbinäre Personen so kaum oder nur umständlich angesprochen werden können: Wenn “Mitarbeiter*in” im Singular verboten ist, bleibt nur “mitarbeitende Person” – eine viel längere und sperrigere Bezeichnung. Anstatt also ein Genderverbot auf das nächste folgen zu lassen, könnten die selbsternannten Sprachpolizisten (meist Männer) mit etwas Ab- und Anstand nach den Hintergründen fragen und sich inhaltlich fundiert, id est respektvoll damit auseinandersetzen.

Inklusive Sprache ist keine Modeerscheinung

Die Bemühungen um inklusive Sprache sind, wenn auch von vielen anders empfunden, alles andere als Neuland: Seit den 1980er-Jahren beschäftigen sich Luise Pusch und Konsortinnen intensiv mit geschlechtergerechter Sprache. Mit den Jahren kamen weitere Diversitätsdimensionen dazu, die anfingen, sich in der Sprache niederzuschlagen bzw. Berücksichtigung zu suchen. Trotzdem wird es nicht immer komplizierter, sondern die zentrale Frage bleibt dieselbe und bleibt einfach: Wen möchte ich sprachlich respektieren?

Was will ich wirklich sagen?

Denn ob Geschlecht oder andere Diversitätsdimensionen, es geht um Zuhören, Hinterfragen und Verstehen: Was steckt hinter den Bezeichnungen, inwiefern können sie Menschen verletzten? Sind die Begriffe etwa respektlos?

Wenn ich mich mit all dem beschäftigt habe, dann bleibt nicht etwa die Frage “Was darf ich noch sagen?”, zumal man in Deutschland fast alles sagen darf. Was bleibt, ist vielmehr die Frage: “Was WILL ich sagen?”

Will ich meinem Gegenüber zuhören? Will ich mich fragen, wie Aussagen bei meinem Gegenüber ankommen, oder will ich nur von meinem Standpunkt aus Botschaften senden? Will ich dazu beitragen, auf Augenhöhe und respektvoll miteinander zu kommunizieren?

Fazit: Respekt ist keine Schwäche

Ich bin froh, dass wir bei der Benennung von Schokoküssen nicht jedes Mal koloniale Strukturen wiederaufleben lassen müssen, dass uns Paprikaschnitzel auch ohne rassistische Fremdbezeichnungen schmecken und dass Kinderspiele auch ohne Völkermordfantasien Spaß machen können.

Denn wenn Rücksicht und Zuhören schon zu viel verlangt sind, wenn “woke” dafür verwendet wird, aufmerksame Menschen zu degradieren, dann wird auch “Respekt” zum Schimpfwort.

A little respect – Es könnte so einfach sein!

Abbildung 9

Christoph Oscar Hofbauer ist Kommunikationsexperte in den Bereichen Kultur und Diversität. Er berät öffentliche Institutionen, Theater, Kultur- und Bildungseinrichtungen in den Themenfeldern Marketing, Presse, Social Media sowie inklusive Kommunikation und setzt Kommunikationsprojekte selbst um. Außerdem ist er Herausgeber und Chefredakteur der Fachzeitschrift “Diversity in Recht und Wirtschaft”.