Recht der internationalen Wirtschaft
Zwischen den Mächten: Deutsche Unternehmen im geopolitischen Spannungsfeld zwischen USA und China
Quelle: Recht der internationalen Wirtschaft 2025 Heft 11 vom 07.11.2025, Seite 720


Bettina Mertgen
, Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Fachanwältin für Steuerrecht und FBin für Zoll- und Verbrauchsteuern, Frankfurt a. M.

Zwischen den Mächten: Deutsche Unternehmen im geopolitischen Spannungsfeld zwischen USA und China

Die geopolitische Lage verlangt deutschen Unternehmen einiges ab, insbesondere die Handelskonflikte mit den USA sorgen fĂĽr viel Unsicherheit im Markt. Ganz hilflos sind die Unternehmen dieser Situation allerdings nicht ausgesetzt.

I. Einleitung

Seit Beginn der zweiten Amtszeit von Präsident Donald J. Trump hat sich die Handelspolitik der Vereinigten Staaten erneut zu einem der bedeutendsten Risikofaktoren für global agierende Unternehmen entwickelt. Die schrittweise Einführung pauschaler “reziproker” Zölle, sektoraler Zusatzzölle sowie die Abschaffung bisheriger Vereinfachungen (etwa der de-minimis-Regel)1 verändern Lieferketten nachhaltig. Der vorliegende Beitrag gibt einen systematischen Überblick über den Rechts- und Verhandlungsstand im August 2025, analysiert die chinesischen Gegenmaßnahmen und zeigt praxisrelevante Optimierungsinstrumente für Importeure aus der Europäischen Union (EU) auf. Ein besonderer Fokus gilt den Implikationen für die stark exportorientierte Automobil- und Zulieferindustrie.

II. Historischer RĂĽckblick

In der Vergangenheit war die globale Handelspolitik von Liberalität und Abbau von Handelshemmnissen geprägt. Weltweit wurde sich um die Vereinbarung von Präferenzabkommen oder sogar Freihandelsabkommen bemüht, die zu weiterem Abbau von Zöllen und anderen Hürden führten, wenngleich ein umfassendes Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU an nicht zollrelevanten Themen scheiterte. Auch zwischen China und den USA bzw. China und der EU existiert bis heute kein solches Abkommen.

Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass in dieser Zeit die monetären Hürden durch Zölle so gering waren, dass Zolloptimierungen aufgrund eines unverhältnismäßigen Kosten- und Organisationsaufwandes nicht im Verhältnis zu den möglichen Ersparnissen standen.

So erhoben die USA im Schnitt auf europäische Waren einen Zollsatz von 1,2 %2, für Güter aus China Zölle in Höhe von durchschnittlich 2,7 %3 zuzüglich einiger Strafzollmaßnahmen.

III. Zollsituation aktuell – eine Momentaufnahme

Die Handelspolitik der jüngsten Vergangenheit, insbesondere im Hinblick auf die Zollpolitik, war und ist von zunehmenden Spannungen und protektionistischen Maßnahmen geprägt, vor allem in den transatlantischen Beziehungen.

1. USA, China, EU – Zoll und Exportkontrolle

Die US-amerikanische Regierung unter Präsident Trump führte bereits in der ersten Amtszeit eine Reihe von Zollerhöhungen ein, die zu Gegenmaßnahmen anderer Länder und zu Unsicherheit an den Märkten führten.

a) Zölle für EU-Waren

Zölle auf Stahl und Aluminium wurden bereits in der ersten Amtszeit von Präsident Trump im Jahr 2018 in Höhe von 25 % bzw. 10 % eingeführt. Diese wurden im Juni 2025 auf 50 % für bestimmte Produkte erhöht und im August 2025 noch erweitert. Diese Einführung führte nicht nur zu einer Reihe von Maßnahmen seitens der Europäischen Union in Form von Gegenzöllen auf beliebte US-Produkte, sondern zu Schutzzöllen und Zollkontingenten für Stahl und Aluminium, um die europäische Industrie vor umgelenkten Warenströmen insbesondere aus China zu schützen. Das Risiko einer Importschwemme billig subventionierter Güter belastet bereits europäische Chemieunternehmen und Maschinenbauer.

Kraftfahrzeuge wurden zwischenzeitlich mit 25 % Zoll belegt, die Zölle auf fast alle übrigen Waren sind zwischenzeitlich auf 10 % bzw. 20 % festgesetzt worden mit einer Androhung von weit mehr.

Zudem droht Präsident Trump auch weiterhin mit Exportbeschränkungen für US-Technologie und Computerchips für den Fall, dass (in der EU) nach seinem Dafürhalten diskriminierende Digitalgesetze und -steuern Anwendung finden.

Als Reaktion darauf arbeitete die EU-Kommission an einem Maßnahmenpaket, das unter anderem Gegenzölle auf US-Produkte vorsah. Dies hätte sich wahrscheinlich an früheren Reaktionen orientiert, wie etwa an Strafzöllen für Whiskey, Jeans und Motorräder, mit denen die EU bereits 2018 auf Trumps Stahl- und Aluminiumzölle reagiert hatte. Auch die Reaktivierung bereits ausgesetzter Zölle stand im Raum. Besonders im Fokus standen US-Produkte mit hoher Symbolkraft oder politischer Wirkung in wichtigen US-Bundesstaaten, um gezielt Druck auf die amerikanische Regierung auszuüben.

Noch bevor die EU ihre Gegenmaßnahmen in Kraft setzte, kündigte Präsident Trump im April 2025 eine 90-tägige Aussetzung der reziproken Zölle an. Diese Aussetzung machte Verhandlungen zwischen den USA und der EU möglich. Trotz vorbereiteter Gegenmaßnahmen hat die EU im Juli 2025 eine Vereinbarung zu einem US-seitigen Zollsatz von 15 % auf fast alle Waren akzeptiert (für Waren, deren Regelzollsatz bereits 15 % oder mehr betrug, gilt weiterhin nur dieser Zollsatz), zusätzlich zu den bestehenden Stahl- und Aluminiumzöllen.4 Für Kraftfahrzeuge und Teile bedeutet dies faktisch eine Halbierung des zuvor geltenden Belastungsniveaus von 27,5 %.5 Gleichzeitig sicherte sich die US-Regierung Investitionszusagen sowie gesteigerte LNG-Abnahmen durch die EU. Der US-Basiszoll trat am 7. 8. 2025 in Kraft. Die Zollsätze für Kraftfahrzeuge werden aber erst (rückwirkend zum 1. 8. 2025) auf 15 % reduziert werden6, wenn Präsident Trump seine weiteren Forderungen als erfüllt ansieht. Am 21. 8. 2025 veröffentlichten beide Seiten ein gemeinsames Statement. Mit Verlautbarung vom 29. 8. 2025 hat die EU-Kommission Vorschläge zur Erfüllung der weiteren Trump-Forderungen vorgebracht, die nun noch in Gesetze umgesetzt werden müssen.

Im Hinblick auf nur einige der für die EU strategische Sektoren wurden die Zollsätze auf Vor-2025-Niveau zurückgeführt (z. B. Flugzeugteile und ausgewählte Chemikalien).7

b) Zölle für chinesische Waren und Chinas Reaktion

Weniger erfolgreich waren die USA mit ihren Maßnahmen gegenüber China, die zwischenzeitlich zu Zöllen von 145 % zuzüglich weiterer Strafzölle führten, sowie zu einer weiteren Exportbeschränkung von US-Technologie im Bereich Halbleiter, KI und Hochleistungsrechnern. Denn China hat hierauf mit entsprechenden Gegenzöllen reagiert und auch exportkontrollrechtliche Maßnahmen angewandt. Zu nennen sind hier die Einführung von Genehmigungspflichten für die Ausfuhr von strategischen Metallen und Seltenen Erden im Februar und April 2025. Hiervon waren auch die zugehörigen Verarbeitungstechnologien inkl. Software erfasst. Zudem wurden gezielt US-Unternehmen auf die Unreliable Entity List (UEL) gesetzt, was mit weiteren Beschränkungen in China einherging. Dies hat die USA zum Einlenken gezwungen. Nach schweren Verwerfungen auf den Finanz- und Beschaffungsmärkten einigten sich Washington und Peking am 12. 5. 2025 auf eine 90-tägige Zollpause. Beide Seiten reduzierten ihre Aufschläge um 115 Prozentpunkte. Für den Zeitraum der Verhandlungen wurden die Zölle US-seitig auf 30 % und China-seitig auf 10 % festgelegt. China setzte die restriktiven Maßnahmen gegen die auf die UEL gesetzten US-Unternehmen für den Verhandlungszeitraum ebenfalls aus. Etwaige Verhandlungsfristen wurde kürzlich beidseitig verlängert, um einen erneuten massiven Anstieg zu verhindern. Die Pause wurde im Juli 2025 in Stockholm bis 12. 8. 2025 verlängert und gilt gegenwärtig fort.8 Eine Einigung wurde jedoch noch nicht gefunden.

Die Aufschläge in den USA erfassen sämtliche zwölfstellige HTS-Codes mit Ursprung China, ausgenommen9 einzelne Elektronikkomponenten. In der Praxis sind insbesondere

  • elektromechanische Produkte und KonsumgĂĽter,
  • Vorprodukte der Batterie- und PV-Industrie,
  • Kfz-Teile und After-Sales-Komponenten

einer erheblichen Verteuerung ausgesetzt. US-Importeure reagieren teilweise durch das so genannte near-shoring (Mexiko) oder friend-shoring (Vietnam), um dies zu verhindern.

Mit anderen Worten versucht man, die Waren aus Ländern zu beziehen, deren Produkte keinem so hohen Zollsatz unterfallen bzw. von Präferenzabkommen profitieren können. Dies ist jedoch mit zusätzlichen Hürden verbunden.

Strategisch setzt China auf Diversifizierung: “In China for China”-Produktionsmodelle multinationaler Unternehmen werden gefördert; zugleich wird die Exportorientierung Richtung ASEAN, Afrika und – mangels Alternativen – der EU ausgeweitet.

IV. Konsequenz fĂĽr EU-Unternehmen

Für Unternehmen ist grundsätzlich nichts schädlicher als Unsicherheit in all seinen Facetten. Wenngleich negative Veränderungen kein guter Ausgangspunkt sind, kann sich ein Unternehmen zumindest hierauf einstellen und seine Unternehmensentscheidungen auf diese Verschlechterungen ausrichten, so sie denn feststehen. Unsichere Handelspolitik jedoch, insbesondere im Kontext von Handelskonflikten wie zwischen den USA und anderen Ländern, führt zu einer Reihe von weiteren negativen Konsequenzen für Unternehmen. Diese reichen von erhöhten Kosten und Unsicherheit über veränderte Investitionsentscheidungen bis hin zu einer möglichen Neuorientierung der Geschäftsstrategien.

Zölle und andere Handelsschranken verteuern Importe und Exporte, was die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt und die Kosten für Unternehmen steigen lässt, denn diese Kosten sind zwar vom jeweiligen Importeur im Zeitpunkt der Einfuhr zu tragen, können diesem aber oft nicht dauerhaft aufgebürdet werden, da dieser sich sonst, je nach Wettbewerbssituation, vom jeweiligen Verkäufer abwendet und alternative Anbieter wählen wird. Die Unsicherheit über zukünftige Handelspolitik erschwert langfristige Planungen in diesem Zusammenhang. Die Gewinneinbrüche deutscher Automobilhersteller zeigen dies überdeutlich.

Unternehmen reduzieren oder verschieben Investitionen in denjenigen Ländern, die von den Handelskonflikten betroffen sind, sei es in den von Trump “bestraften” Ländern oder aber den USA selbst, da die Rahmenbedingungen zu volatil und damit nicht verlässlich sind, um Entscheidungen mit solch weitreichenden Folgen zu treffen.

Die signifikanten Zollsätze, ihre ständigen Anpassungen sowie bestehende und neu geschaffene Exportbeschränkungen führen zudem zu Störungen der Lieferketten, da Unternehmen nicht nur mit erhöhten Kosten, sondern auch mit Verzögerungen bei der Beschaffung von Vorprodukten oder der Auslieferung ihrer Produkte rechnen müssen. Dies kann zur Umlenkung von Handelsströmen führen.

Unternehmen müssen ihre Geschäftsstrategien anpassen, z. B. durch Diversifizierung der Märkte, Optimierung der Lieferketten oder Entwicklung neuer Produkte.

Zu den Konsequenzen, die die Handelspolitik der USA auslösen, haben EU-Unternehmen, die oft ihre Vorprodukte aus China beziehen, nun weitere regulatorische Vorgaben zu erfüllen, da auch China seine anwendbaren Maßnahmen ausweitet.

Dies erfordert ein Trade-Compliance-Programm, welches dokumentiere Prozesse zur Risikoerkennung beinhaltet. Ein solches Programm sollte implementiert werden, um im Rahmen dessen insbesondere die Prüfung der Genehmigungspflichten und Auflagen nach chinesischem Recht durchzuführen so wie die Prüfung der Dual-use-Listen und der Endverwender. Hierzu sind die Vertragspartner gegen die einschlägigen Listen zu prüfen, um Lieferstopps zu vermeiden. Verstöße können hier zu empfindlichen Strafen führen.

V. Mögliche Lösungsansätze

Auch wenn diese Ausgangssituation denkbar ungünstig ist, haben die EU-Unternehmen Handlungsoptionen, welche die Konsequenzen zwar nicht gänzlich verhindern, ihre negativen Auswirkungen jedoch reduzieren können.

1. Transparenz in der Lieferkette schaffen

Zu allererst gilt es, Transparenz in die Lieferkette zu bekommen. Hierbei ist es wichtig zu verstehen, woher welche Produkte bezogen werden, wo diese verarbeitet werden und welche die derzeitigen Absatzmärkte sind. Je vielseitiger ein Unternehmen sowohl in der Beschaffung (“multisourcing”), als auch in der Produktion und in den Absatzmärkten aufgestellt ist, desto flexibler kann es auf bestehende Konflikte und Kostensteigerungen reagieren. Die hierfür erforderlichen Rechenmodelle, in welchem die Kosten der Umstellung der Lieferketten den Zollkosten der aktuellen Lieferketten gegenübergestellt werden, erfordern aber eine maximale Transparenz, die viele Unternehmen sich erst hart erarbeiten müssen.

2. PrĂĽfung Richtigkeit bestehender Zollanmeldungen

Zudem können die derzeit für die Zollanmeldung in den USA verwendeten Daten auf den Prüfstand gestellt werden, um mögliche Einsparpotentiale zu identifizieren. In der Vergangenheit waren die mit einer solchen Prüfung einhergehende Kosten in Relation zum Einsparpotential oft nicht gerechtfertigt. Dies sieht nun anders aus.

Hierzu gehört die Überprüfung der Zolltarifnummern und die damit verbundenen Zollsätze. Gehört die einzuführende Ware eventuell zu solchen, die nicht dem hohen Zollsatz unterfallen?

Nach US-Recht kann auch gestalterisch Einfluss auf den Zollwert oder die Zolltarifnummer genommen werden wie etwa durch Veränderung der verwendeten Incoterms oder durch Änderungen im Produktdesign sowie in der Materialzusammenstellung.

3. Nutzung von Zollverfahren

a) Zolllagerverfahren/Foreign Trade Zones

Die Nutzung der Foreign Trade Zones, welche hier mit dem EU-Zolllager vergleichbar sind, ergeben insbesondere dann Sinn, wenn die USA als Hub für den amerikanischen Kontinent genutzt werden, also Waren erst in die USA verbracht, aber teilweise wieder ausgeführt und in andere Länder verbracht werden. Denn die Überführung in eine grenznahe Foreign Trade Zone bewirkt die Aussetzung der Zollzahlung bis zur Entnahme10 der Ware in das US-Zollgebiet. Wird die Ware wieder ausgeführt, fällt kein Zoll in den USA an. Wird das Produkt in der Foreign Trade Zone zu einem Produkt mit niedrigerem Satz veredelt, gilt dieser (“inverted tariff relief”) bei der Einfuhr. Die Nutzung ist insbesondere für Komponentenfertiger der Automobilindustrie attraktiv.

b) Duty Drawback

Das Duty-Drawback-Verfahren ist mit dem Verfahren der aktiven Veredelung vergleichbar, wenngleich in den USA die Zölle vorab zu zahlen sind11, während sie hingegen in der EU gar nicht abzuführen sind. Ein solches Verfahren ist also immer dann sinnvoll, wenn Waren in die USA verbracht werden, zu einem anderen Produkt verarbeitet und dann teilweise wieder ausgeführt werden. In diesem Fall können die gezahlten Zölle erstattet werden. Europäische Hersteller mit US-Montage- und Re-Export-Geschäft (Lateinamerika, Kanada) können sich in diesen Konstellationen signifikante Anteile der gezahlten Zölle rückerstatten lassen.

Das Duty-Drawback-Verfahren in den USA ist im Kern ein Erstattungsprogramm der Zollbehörde (U.S. Customs and Border Protection, CBP), mit dem Unternehmen bis zu 99 % der bei der Einfuhr gezahlten Zölle, Steuern und bestimmten Gebühren zurückerhalten können – wenn die Waren später wieder ausgeführt, in ein Exportprodukt eingebaut oder unter Zollaufsicht vernichtet werden.

c) First Sale Rule

Grundsätzlich wird für die Ermittlung der Zollabgaben der letzte Verkauf vor der Einfuhr in die USA als Grundlage verwendet. Wird ein zweistufiges Handelsgeschäft jedoch richtig dokumentiert, kann der erste Kaufpreis (z. B. Verkauf im Konzern von EU-Mutter an US-Tochter) als Zollwert angesetzt werden, so wie dies vor Einführung des UZK auch in der EU möglich war. Hierdurch können die aufgrund einer vorherigen Handelsstufe geringeren Verkaufspreise, die zu geringen Zollwerten führen, genutzt werden.

Damit der erste Verkauf als Bewertungsgrundlage anerkannt wird, mĂĽssen u. a. folgende Bedingungen12 erfĂĽllt sein:

  • Bona Fide Sale: Es muss ein echter, rechtsverbindlicher Kaufvertrag zwischen Hersteller und erstem Käufer vorliegen.13
  • FĂĽr den Export in die USA bestimmt: Bereits beim ersten Verkauf muss feststehen, dass die Ware fĂĽr den US-Markt bestimmt ist.
  • Unabhängigkeit: Die Parteien des ersten Verkaufs dĂĽrfen nicht in einer Weise verbunden sein, die den Preis beeinflusst (oder der Preis muss “at arm’s length” sein).
  • Dokumentationspflicht: LĂĽckenlose Nachweise (Rechnungen, Verträge, Versanddokumente) mĂĽssen den Weg der Ware und die Preisgestaltung belegen.
  • Deklaration: Der Importeur muss bei der Zollanmeldung angeben, dass der Zollwert auf Basis des First Sale ermittelt wurde (First Sale Declaration).

d) Tariff Engineering

Das so genannte Tariff Engineering gibt den Unternehmen die Möglichkeit, Produkte zu günstigen Zollsätzen einzuführen und vor Ort fertigzustellen. Dies ist jedoch nur sinnvoll, wenn sich hier tatsächlich Änderungen im Zollsatz ergeben. Derzeit wäre hier nur an Ausnahmeregelungen zu denken.

e) Keine Zölle auf US-Anteil

Die in der Verordnung festgelegten Wertzollsätze gelten ausschließlich für den Nicht-US-Ursprungsanteil einer Ware – sofern mindestens 20 % des Warenwertes14 der zugrundeliegenden Stückliste auf US-Ursprungswaren entfallen. Diese so genannte US Content Rule soll sicherstellen, dass multinationale Lieferketten mit substanziellen US-Anteilen begünstigt werden.

4. Verlagerung von Lieferströmen und Produktionsschritten

Neben den rein zollrechtlichen Handlungsmöglichkeiten können die bereits angedeuteten Optionen im Rahmen der Verschiebung von Lieferströmen und der Verlagerung von Produktionsschritten zu signifikanten Ersparnissen führen.

Hierbei spielt die Nutzung von so genannten Präferenzabkommen eine entscheidende Rolle. Es kann sich unter Umständen lohnen, die Produktionsschritte in einem Partnerstaat des Ziellandes so zu erhöhen, dass die Ware präferenziellen Ursprung erreicht und damit begünstigt in das Zielland eingeführt werden kann. Dies gilt nicht nur für die USA, sondern auch für andere Zollgebiete wie die EU.

Für die USA ist insbesondere auf das USMCA (United States-Mexico-Canada Agreement) hinzuweisen, als Nachfolger des NAFTA. Dieses spielt insbesondere in der Automobilindustrie eine sehr große Rolle, weil es den Automobilherstellern ermöglicht, bei einer entsprechenden Wertschöpfung in Mexiko durch die Herstellung eines fertigen Automobils, selbiges zollfrei in die USA einführen zu können.15 Durch Sonderregelungen für die Automobilindustrie hat Präsiden Trump allerdings dafür gesorgt, dass diese in Mexiko erforderliche Wertschöpfung nun statt 62,5 % (NAFTA) auf 75 %16 angestiegen ist.

Was hingegen nicht möglich sein dürfte, ist die Nutzung des parallel bestehendes EU-Mexiko-Abkommen für die Einfuhr des EU-Vormaterials nach Mexiko. Das USMCA enthält eine Regelung, die die zollbegünstigte Einfuhr von Vormaterial weitgehend verbieten dürfte. Das bedeutet, dass EU-Vormaterial, welches in Mexiko weiterverarbeitet wird, nur dann in den Genuss der USMCA-Zollbegünstigung bei Einfuhr in die USA gelangen kann, wenn Mexiko das EU-Vormaterial nach dem Regelsatz (nach-)verzollt.

Die Nutzung von Produktionsverlagerungen kann auch bei Strafzöllen oder Antidumping-Zöllen einen Vorteil bringen, die nur auf bestimmte Warengruppe mit Ursprung in bestimmten Ländern anfallen. Die Änderung des Ursprungslandes durch Verlagerung von Produktionsschritten ist eine Möglichkeit, die Entstehung dieser Zölle zu vermeiden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Vermeidung dieser Zölle zumindest in der EU nicht alleiniger Grund für die Verlagerung sein darf.17 

VI. Fazit

Die Handelspolitik der Vereinigten Staaten bleibt volatil und politisch getrieben. Für europäische Unternehmen ist das “New Normal” ein dauerhaft erhöhtes Zoll- und Compliance-Niveau. Wer frühzeitig Zolloptimierungsinstrumente implementiert, Lieferketten diversifiziert und die Entwicklung auf beiden Seiten des Atlantiks eng begleitet, kann jedoch selbst in einem Umfeld politischer Unwägbarkeiten wettbewerbsfähig bleiben. Klar ist aber auch, dass die Welt für europäische Unternehmen komplizierter geworden ist. Dies wird sich auch unter einem anderen US-Präsidenten nicht mehr grundlegend ändern, wie man unter Präsident Biden gesehen hat.

 

Bettina Mertgen ist Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Fachanwältin für Steuerrecht und Fachberaterin für Zoll- und Verbrauchsteuern, Partnerin bei GvW Graf von Westphalen, Frankfurt a. M.