afz - allgemeine fleischer zeitung
„Es ist sieben Minuten vor zwölf“
Quelle: afz - allgemeine fleischer zeitung 2025 Heft 19 vom 18.09.2025, Seite 30


afz – allgemeine fleischer zeitung 19 vom 18.09.2025 Seite 30

FORUM DER FLEISCHWIRTSCHAFT

Tierhaltungskennzeichnung, EUDR, PPWR: Das müssen Unternehmen jetzt tun.

Der Branche stehen gleich drei neue Gesetze ins Haus: die Haltungskennzeichnung, die Entwaldungsverordnung (EUDR) und die neue EU-Verpackungsverordnung (PPWR). Für wen gelten diese und was ist zu tun? Diese Fragen klärte das Forum der Fleischwirtschaft in Quakenbrück.

Der Handel hat seine Ziele hoch gesteckt. Aldi beispielsweise will sein Frischfleisch-Sortiment bis 2030 komplett auf die Haltungsformen (HF) 3 und 4 umgestellt haben. Daran erinnerte Dr. Albert Hortmann-Scholten. Allerdings habe die landwirtschaftliche Stufe bis dorthin noch einen weiten Weg vor sich. Erneut warf der Experte von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen die offene Frage der Finanzierung auf. Die Umstellungskosten in der Landwirtschaft auf den Verbraucher abzuwälzen, sieht er kritisch, auch angesichts der hohen Rindfleischpreise. Den nötigen Aufschlägen für mehr Tierwohl im Stall stellte er das begrenzte Haushaltsbudget vieler Verbraucher gegenüber: „Ob das klappt?“

Trend zu Weidemilch treibt Tierwohl voran

Im Umbau der Tierhaltung am weitesten sei man bisher bei den Rindern, erläuterte Dr. Hortmann-Scholten. Treiber hierfür ist hier der wachsende Trend zu Weidemilch (HF 3 und 4). So stehen auf Erzeugerebene bereits 20 Prozent der Kühe für die HF 3, hingegen 78 Prozent in HF 1. Auch das Geflügelsegment hat dank des integrierten Systems schon viel erreicht: 77 Prozent der Puten stammen aus der HF 2, jeweils 10 Prozent aus 1 und 3. Bei den Hähnchen sind es 89 Prozent in HF 2, 6 Prozent in HF 3. Beim Geflügel sieht der Landwirtschaftsexperte allerdings einen klaren Zielkonflikt: In der extensiven Haltung nutze man langsam wachsende Rassen. Diese benötigten aber mehr Futter, Wasser, Platz und Arbeitskräfte. „Man kann nicht alles haben“, so Hortmann-Scholten.

10 bis 12 Prozent in den höheren Haltungsformen 3, 4 und 5 prognostiziert der Experte bis 2030 beim Schweinefleisch. Derzeit stehen in der Mast 43 Prozent in HF 1, 52 Prozent in HF 2.  Die Produktion verteuere sich dabei erheblich. „Wir brauchen vor allem im Schweinebereich Anschub durch den Staat und die Akzeptanz beim Verbraucher“, forderte Hortmann- Scholten.

Schutz vor Entwaldung bringt neue Pflichten

Die Entwaldungsverordnung der EU (EUDR) soll sicherstellen, dass Produkte, die in der EU verkauft werden, nicht zur Entwaldung oder Waldschädigung beitragen. Derzeit betrifft die Verordnung Produkte wie Kakao oder Kaffee, aber auch Rinder,  sowie einige Erzeugnisse daraus. Fleischwaren sind nicht darunter, wie der Rechtsanwalt Dr. Hanno Koerfer erläuterte. Die Regeln gelten genauso  für Erzeugnisse, die in der EU hergestellt wurden. Wobei hier auch der Import als Inverkehrbringen gilt. Daher fällt ein Unternehmen, das beispielsweise Rindfleisch aus Argentinien importiert, um daraus eine Rohwurst herzustellen, in den Anwendungsbereich der EUDR. Eines, das Rindfleisch für Rohwurst in einem EU-Land kauft, nicht.

Die genannten Rohstoffe und Erzeugnisse benötigen eine Sorgfaltserklärung, die bestätigt, dass kein oder nur ein vernachlässigbares Risiko mit ihnen verbunden ist. KMU sind dann von den Sorgfaltspflichten entbunden, wenn für den  Rohstoff bereits eine Sorgfaltserklärung übermittelt wurde.

Die Zukunft der Verpackung beginnt jetzt

Die EU-Verpackungsverordnung (PPWR) stellt die Fleischwirtschaft vor große Herausforderungen. Unternehmen müssen strengere Regeln zu Recyclingfähigkeit, Mindestrezyklatanteilen und Verpackungsminimierung beachten, wie Dr. Patrick Krampitz von Pauly Rechtsanwälte erläuterte. Obwohl die schrittweise Umsetzung der PPWR Zeit bis 2040  bietet, ist es bereits „sieben vor zwölf“, betonte Michael Martin von Wipak. Die Branche muss jetzt handeln.

Ein zentraler Punkt ist das Spannungsverhältnis zwischen Produktschutz und Verpackungsreduzierung. Prof. Dr. Markus Schmid von der Hochschule Albstadt- Sigmaringen hob hervor, dass die richtige Verpackung entscheidend ist, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden, da das Lebensmittel selbst den größten ökologischen Fußabdruck hinterlässt. Die Forschung muss daher eng mit der Industrie zusammenarbeiten, um funktionale und  recyclingfähige Verpackungen zu entwickeln.

Neben den regulatorischen müssen auch technologische Herausforderungen gemeistert werden. Da ist laut Martin die fehlende Digitalisierung ein Problem, da jede Verpackung ihren  Lebenszyklus digital abbilden muss. Stefan Dangel von Sealpac hob hervor, dass moderne Verpackungsmaschinen eine Schlüsselrolle spielen, um Flexibilität, Effizienz und Prozesssicherheit zu gewährleisten.

Checkliste – Das sollten Sie jetzt in Angriff nehmen

1 THKG (Tierhaltungskennzeichnungsgesetz): Verordnung gilt ab 1.3.2026 (vorerst) nur für Frischfleisch vom Mastschwein. Bei HF 1 und 2 ggf. zusätzliche Informationen für den Kunden bereitstellen, um gute Haltungsbedingungen, kurze Wege etc. zu unterstreichen.

2 EUDR (Entwaldungsverordnung), ab 30.12.2025, für KMU ab 30.6.2026: Notwendige Schritte: Prüfung des Anwendungsbereichs, Rolle des Unternehmens im Rahmen der EUDR ermitteln, Ermittlung der Sorgfaltspflichten, Zuständigkeit im Unternehmen regeln und Prozesse implementieren.

3 PPWR (EU-Verpackungsverordnung), gilt ab 12.8.2026: Verpackungsinventur durchführen:  Bestandsaufnahme der aktuellen Verpackungsmaterialien, Gespräche mit Lieferanten führen, alternative Materialien in Pilotprojekten testen, Prozesse anpassen, Kosten frühzeitig planen

Patrick Pesta und Sandra Sieler