Immobilien Zeitung 38 vom 18.09.2025 Seite 13
Ungemach aus Großbritannien
Betrug. Wer geschäftlich auf der britischen Insel engagiert ist, muss ausreichend Prävention gegen betrügerische Machenschaften betreiben. Andernfalls droht ein neues Gesetz massive Strafen an.
Großbritannien verschärft seinen Kampf gegen Unternehmenskriminalität. Neuester Schritt ist das Gesetz über Wirtschaftskriminalität und Unternehmenstransparenz (Economic Crime and Corporate Transparency Act 2023, ECCTA). Was sperrig klingt, hat in der Praxis weitreichende Folgen: Das Gesetz verpflichtet im Prinzip jedes Unternehmen, das Geschäfte mit Bezug zum Vereinigten Königreich betreibt, umfangreiche Vorsorgemaßnahmen gegen Wirtschaftsstraftaten zu ergreifen.
Kern des Gesetzes ist ein zum 1. September 2025 scharf geschalteter Straftatbestand (Failure to Prevent Fraud), wonach Unternehmen belangt werden können, wenn mit ihnen verbundene Personen Delikte wie Betrug, Untreue oder Unterschlagung begehen, von denen das Unternehmen profitiert und wogegen es keine angemessenen Präventionsmaßnahmen etabliert hat.
In erster Linie zielt das Gesetz auf große Akteure. Die Kriterien dafür sind im Gesetz definiert: mehr als 250 Mitarbeiter, mehr als 36 Mio. GBP Umsatz und eine Bilanzsumme von mehr als 18 Mio. GBP. Sind zwei dieser Punkte erfüllt, genügt im Einzelfall ein einziges betrugsbehaftetes Immobilienobjekt auf der Insel, um unter das ECCTA-Regime zu fallen.
Die neue Norm wirkt extraterritorial. Damit betrifft sie unter anderem deutsche Immobilienunternehmen – egal, ob sie als Fonds oder Bestandshalter unterwegs sind. „Für die Anwendbarkeit auf deutsche Immobilienakteure genügt es, wenn sie einen Fuß nach UK gesetzt haben“, sagt Rechtsanwalt Alexander Cappel von Norton Rose Fulbright. Auch wenn Opfer aus UK stammen, etwa Investoren und Geschäftspartner, können deutsche Immobilienunternehmen in der britischen Haftungsfalle landen. Gleiches gilt, sobald in UK Gewinne oder Verluste aus diesen illegalen Machenschaften entstanden sind.
In der Konsequenz werden Immobilienakteure in UK strafrechtlich zur Verantwortung gezogen, falls sie Maßnahmen unterlassen haben, betrügerische Delikte durch Mitarbeiter und Dienstleister ihrer Organisation zu verhindern. Tückisch sei, dass die Haftung verschuldensunabhängig greife, so Cappel. Ab sofort müssten Unternehmen und Management weder von der Tat wissen noch daran beteiligt sein: „Die britischen Strafverfolger würden dennoch wegen potenziell unzulänglicher Compliance-Maßnahmen gegen das Unternehmen ermitteln.“ Kommt es zum Schuldspruch, drohen Geldstrafen plus die Abschöpfung von Erträgen. Die Höhe ist nach oben hin unbegrenzt.
Um im Fall des Falles den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, müssen Unternehmen nachweisen, dass zum Tatzeitpunkt ein auf die relevanten Betrugsdelikte zugeschnittenes Präventionssystem bestand. Ähnliches kennen Immobilienakteure im Ansatz vom deutschen Haftungsregime. Auch hierzulande berücksichtigen Gerichte und Verfolgungsbehörden Compliance- Maßnahmen – zumindest bei der Bemessung von Sanktionen. Starre Vorgaben für die Maßnahmen gibt es aber nicht.
Anders in UK. Dort sind konkrete Vorgaben zu erfüllen. Der britische Gesetzgeber hat dazu Leitlinien zur Implementierung effektiver Betrugsprävention herausgegeben. Die geforderten, zentralen Punkte umfassen Cappel zufolge unter anderem eine Verpflichtung des Top-Managements, Betrugsdelikte zu unterbinden. Außerdem gehörten Mitarbeiterschulungen, risikobasierte Kontrollmechanismen und die Einhaltung von Sorgfaltspflichten mit Fokus auf Betrugsvermeidung zum Maßnahmenkatalog.
Cappel rät, zunächst eine Risikoanalyse mit Blick auf die fraglichen Delikte zu machen. Branchenspezifische Besonderheiten sollten berücksichtigt werden. Für den Check könne man sich an den britischen Leitlinien entlanghangeln. Bei Lücken sollte das bestehende Compliance-System angepasst werden.
Nach ECCTA können Unternehmen auch Straftaten von Führungskräften zugerechnet werden. Wie weit die englische Bezeichnung Senior Manager nach unten reicht, ist schwer auszumachen. Experten gehen aber davon aus, dass nicht nur Vorstand und Geschäftsführung gemeint sind, sondern auch die mittlere Führungsebene wie Standort- und Fachgebietsleiter. Sie sollten deshalb speziell für die neuen Regeln sensibilisiert werden, empfiehlt Cappel.
Dass das Vereinigte Königreich Unternehmen „in ein enges Korsett mit hohen Strafen zwingt“, erklärt der Anwalt mit vielen Betrugsvergehen vergangener Jahre. Schätzungen zufolge soll Betrug um die 40% der Straftaten in England und Wales ausgemacht haben. „Das bisherige Haftungsregime reichte offenbar zur Prävention nicht aus“, so Cappels Einschätzung. Im Bestreben, Haftung und Strafen zu verschärfen, sieht er UK in Einklang mit den USA. In beiden Ländern sei die Verfolgungspraxis schärfer als in Deutschland.
Monika Hillemacher



