agrarzeitung 42 vom 17.10.2025 Seite 5
Hohe HĂĽrden
Erschwerte Transformation der energieintensiven Ernährungsindustrie
Frankfurt a.M. Die Elektrifizierung der Ernährungsindustrie scheitert laut einer Fraunhofer-Untersuchung an hohen Stromkosten und langsamem Netzausbau. Branchenverbände fordern politische Eingriffe.
Eine vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI erstellte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Transformation der energieintensiven Ernährungsindustrie unter den aktuellen Rahmenbedingungen erschwert wird. Die Untersuchung wurde im Auftrag des Verbands der ölsaatenverarbeitenden Industrie (Ovid) und des Verbands der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) erstellt.
Drei Haupthemmnisse
Die Studie „FlexErnährungsindustrie“ identifiziert drei zentrale Hemmnisse für die Energiewende in der Branche: Elektrische Prozesswärme ist nach den Berechnungen aktuell zwischen 56 und 80 Prozent teurer als die Nutzung von Erdgas in Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerken. Dies wird als Kostenfalle bezeichnet: Der Einsatz hybridisierter Anlagenkonzepte mit Wärmepumpen, Elektrodenkesseln, Wasserstoff- oder Biomassezufuhr sowie Speichern sei unter den aktuellen Rahmenbedingungen „jedoch fast immer unwirtschaftlich“.
Zweiter Punkt ist der Investitionsstau. Unternehmen, die ihre Produktion elektrifizieren wollen, benötigen eine bis zu fünffach höhere Anschlussleistung. Es dauere jedoch in Extremfällen bis zu 15 Jahre, bis ein leistungsfähiger Netzanschluss installiert sei.
Drittens nennt die Studie einen instabilen energiepolitischen Rahmen und einen komplexen Dschungel aus Regulierungen, die eine langfristige Planungssicherheit verhinderten. Das untergrabe die Basis für verlässliche Geschäftsmodelle.
LĂĽcke zwischen Soll und Ist
Die Ernährungsindustrie ist für knapp 10 Prozent der industriellen Energienutzung in Deutschland verantwortlich. Untersucht wurden exemplarisch die Ölsaatenverarbeitung und die Stärkeproduktion.
Studienleiter Michael Haendel vom Fraunhofer ISI erklärte, es gebe eine Lücke zwischen politischen Dekarbonisierungszielen und wirtschaftlicher Realität. „Die Daten belegen, dass die aktuellen Rahmenbedingungen die Transformation der Ernährungsindustrie nicht nur verlangsamen, sondern erschweren“, sagte Haendel. Ohne Reformen bei Strompreis, Netzausbau und Anreizstrukturen würden private Investitionen in klimafreundliche Prozesse ausbleiben.
Forderungen der Verbände
Ovid-Präsidentin Jaana Kleinschmit von Lengefeld betonte die Bedeutung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit: „Die Regierung muss jetzt handeln: Ein Industriestrompreis, praxistaugliche Netzentgelte und eine Nachfolgeregelung für den Spitzenausgleich Gas sind unabdingbar, um die Lebensmittelproduktion Made in Germany langfristig zu sichern.“
Julia Laudenbach vom VGMS verwies auf die hohe Effizienz der bestehenden Kraft-Wärme-Kopplung mit einem Wirkungsgrad von 92 bis 95 Prozent. Sie sagte: „Die Stärkewirtschaft etwa belegt, wie effizient die energieintensive Ernährungsindustrie bereits arbeitet.“ Laudenbach ergänzte: „Die Studie zeigt klar: Nicht alles, was technisch machbar scheint, ist wirtschaftlich umsetzbar – manches sogar faktisch unmöglich.“
Die Verbändeallianz Energieintensive Ernährungsindustrie vertritt zwölf Branchenverbände, darunter die Süßwarenindustrie (BDSI), der Brauer-Bund, der Milchindustrie-Verband (MIV) und die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE).
Bernhard Vetter und Rouven Zietz



