Werbung mit Testergebnissen und Testsiegeln – Ein Update**
RAin Dr. Jeannette Viniol, LL.M. (Warwick), Berlin*
INHALT
| I. | Rechtliche Vorgaben zur Werbung mit Testergebnissen | ||||||
| II. | Anforderungen an den Testanbieter
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| III. | Anforderungen an den Werbenden
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| IV. | Ausblick: Umsetzung der Regelungen zu Nachhaltigkeitssiegeln gemäß der EmpCo-Richtlinie
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Die Auslegung der Irreführungsparagraphen bei Werbung mit Testergebnissen und Testsiegeln ist durch die ständige Rechtsprechung des BGH detailliert vorgegeben. Das gilt sowohl hinsichtlich der Anforderungen an den Testveranstalter als auch an die Wiedergabe des Testergebnisses in der Werbung. Neuere Entwicklungen finden sich vor allem bei Fragen zu Informationspflichten sowie auf prozessualer Ebene, insbesondere bei der Beweislastverteilung beim Vorgehen gegen eine Testveröffentlichung. Daneben stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Neuregelungen zu Nachhaltigkeitssiegeln, die mit dem 3. UWG-Änderungsgesetz ab September 2026 in Kraft treten sollen, Auswirkung auf die Werbung mit Testsiegeln haben können.
I. Rechtliche Vorgaben zur Werbung mit Testergebnissen
1 Der Durchschnittsverbraucher erwartet von vergleichenden Warentests, dass diese ihn über Eigenschaften, Qualität und Preiswürdigkeit der auf dem Markt angebotenen Waren sachkundig, unabhängig und vor allem unbeeinflusst unterrichten.1) Diese grundlegende Einschätzung gilt auch aktuell noch, wenngleich die Vielzahl an Testveranstaltern und Testsiegeln, mit denen sich der Verbraucher heute konfrontiert sieht, teilweise dazu führen, dass Gerichte dessen Erwartungshaltung und Vertrauen je nach Test unterschiedlich hoch einschätzen.
2 Eine derartig hohe Verbrauchererwartung geht einher mit einer starken Werbewirkung von (guten) Testergebnissen. Ergebnisse oder wesentliche Bestandteile von Tests von Waren und Dienstleistungen sind daher als Beispiele wesentlicher Eigenschaften, über die nicht irregeführt werden darf, in § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG explizit benannt. Bei einer Werbung mit Testergebnissen, die auch das Abschneiden von Mitbewerbern thematisiert und diese damit erkennbar macht, gelten zudem die Grundsätze der vergleichenden Werbung gemäß § 6 UWG. Daneben sind bei der Werbung mit Testergebnissen bestimmte Informationen, insbesondere die Fundstelle des Tests, als wesentlich im Sinne von §§ 5a, 5b UWG bereitzustellen.
II. Anforderungen an den Testanbieter
3 Damit ein Testergebnis in der Werbung Verwendung finden darf, muss das Testinstitut neutral, objektiv und sachkundig testen.2) In der Rechtsprechung des I. Zivilsenats findet sich auch die Formulierung, die von einem Dritten vergebene Auszeichnung müsse in einem seriösen Verfahren vergeben und dürfe nicht erschlichen worden sein – diese Anforderungen sind nach Feddersen in der Sache als gleichbedeutend mit den vorgenannten Kriterien anzusehen.3)
1. Neutralität
4 Die Neutralität ist dann zu diskutieren, wenn der Getestete an den Testveranstalter in irgendeiner Form Zahlungen leistet. Allerdings ist hier ein differenzierender Blick notwendig: Einerseits steht die entgeltliche Lizenzierung eines Testsiegels der Annahme einer neutralen Prüfung nicht grundsätzlich entgegen.4) Andererseits darf ein Test nicht käuflich sein. Das betrifft nicht nur das Testergebnis, sondern bereits die Aufnahme des Produkts in das Testfeld.
5 Dieses Spannungsfeld ist nicht immer leicht aufzulösen: Der BGH geht, wie in der Entscheidung LGA tested5) dargelegt, davon aus, dass eine nachträgliche entgeltliche Lizenzierung eines Prüfzeichens der Annahme einer neutralen Prüfung nicht entgegenstehe. Das dürfte auch für vergleichende Produkttests gelten, soweit bei einem bekannten und anerkannten Test jedes Unternehmen, dessen Produkt Testsieger wird oder im Test zumindest besonders gut abschneidet, auch bereit sein wird, die Lizenzgebühr, die im Vornhinein feststehen sollte, zu entrichten, um mit einem werbewirksamen Siegel werben zu können. Der Testveranstalter, der damit kein individuelles finanzielles Interesse daran hat, welches Produkt am besten abschneidet, sollte damit, auch bei einer entgeltlichen Lizenzierung des Testsiegels, weiter als „neutral“ gelten.
6 Weniger klar dürfte die Sachlage bei unbekannteren Testveranstaltern sein, die nicht zwingend damit rechnen dürfen, dass jeder Testsieger auch ein Interesse hat, ihr Siegel zu erwerben. Hier besteht zumindest das theoretische Risiko, dass der finanzielle Anreiz, später eine Lizenzgebühr für das Testsiegel zu erhalten, sich auf die Auswahl der Testobjekte oder gar das Testergebnis auswirken könnte. Auch sonstige finanzielle Anreize, wie das Schalten von Affiliate-Verlinkungen durch die Testinstitution, können der Neutralität entgegenstehen, weil die Aussicht, mit bestimmten Produkten höhere Provisionen verdienen zu können, nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Auswahl des Testfelds beeinflussen kann.6)
2. Objektivität
7 Die Voraussetzung der Objektivität des Testanbieters wird von der Rechtsprechung zumeist (nur) mit einem „Bemühen um Objektivität“ gleichgesetzt. Somit hat ein Testinstitut bei der Auswahl seiner Testobjekte wie auch bei der Darstellung und Veröffentlichung der Testergebnisse einen weiten Handlungsspielraum.7)
8 Das OLG München8) hat zuletzt eine Entscheidung aufgehoben, mit der das LG München I9) einem Presseunternehmen das Angebot von Testsiegeln, die Ärzte als „TOP Mediziner“ auszeichneten, untersagt hatte. Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass die Siegel den Eindruck eines objektivierten Qualitätsurteils erweckten, ihre Vergabe tatsächlich aber auf vielen rein subjektiven Kriterien beruhte – wie z.B. Kollegenempfehlungen oder Umfragen zur Patientenzufriedenheit. Das OLG hingegen meinte, der Verkehr erwarte keine harten, objektiven Kriterien bei der Bewertung freiberuflicher Tätigkeiten sowie aufgrund der Kennzeichnung des in der konkreten Konstellation tätigen Presseunternehmens als Herausgeber des Siegels. Vielmehr erwarte der Verkehr „lediglich ein Bemühen in Richtung Objektivität, aber keine über jeden Zweifel erhabene Objektivierung, die angesichts der Art der bewerteten Leistung auch kaum möglich sei.“10)
9 Die Einschätzung des OLG München ist deswegen interessant, weil hier der Verbraucherblick auf das Siegel in den Vordergrund tritt. Im Ergebnis kann man die Entscheidung so deuten, dass ein Testsiegel nicht mehr zwingend ein objektiv agierendes Testinstitut, das anhand objektiver Kriterien prüft, erwarten lässt. Vielmehr kann diese Erwartung auch abgesenkt sein, weil der Verbraucher seine Ansprüche mit Blick auf den Herausgeber des Tests wie auch die zu testende Leistung relativiert. Das erinnert an die Entscheidung des BGH in Sachen yelp.de,11) wonach die Anforderungen an Warentests dann nicht greifen, wenn der Bewertende gerade keine Neutralität, Objektivität und Sachkunde für sich in Anspruch nimmt.
10 Im Umkehrschluss sollte das aber – entgegen der Entscheidung des OLG München – bedeuten, dass dort, wo durch ein Siegel oder ein vergleichbares Zeichen gegenüber dem Verbraucher ein objektiver Test suggeriert wird, die Anforderungen an einen sachkundigen, neutralen und objektiven Testveranstalter greifen und keine Relativierung möglich ist. Denn es dürfte die Anforderungen an den Durchschnittsverbraucher überstrapazieren, wenn dieser seine Erwartung mit Blick auf spezifische Kenntnisse zu Testveranstalter und Testgegenstand jeweils anzupassen hätte.
3. Sachkunde
11 Ähnliches gilt für die Voraussetzung der Sachkunde. Hier heißt es in der Rechtsprechung häufig, dass diese Anforderung erst dann nicht mehr erfüllt sei, wenn das Vorgehen des Testinstituts „nicht mehr diskutabel“ sei.12) Damit besteht für Testveranstalter ein erheblicher Freiraum bei der Auswahl der Testkriterien und der Gestaltung der einzelnen Prüfschritte. Selbst wenn über die Sinnhaftigkeit einzelner Testkriterien, ihrer Gewichtung im Test oder der Art und Weise, in der eine Prüfung umgesetzt wird, wissenschaftliche Uneinigkeit besteht, entzieht dies dem Testenden noch nicht zwingend die geforderte Sachkunde.
12 Diese soll erst dann fehlen, wenn eigene Kriterien missachtet werden oder wenn die Vorgehensweise des Testveranstalters oder seiner Beauftragten wissenschaftlich nicht mehr vertretbar ist. Dies wurde zuletzt in einem Verfahren vor dem LG Frankfurt a. M. bejaht, weil bei einem Rauchmeldertest das vorgesehene Testfeuer nicht die nach den vom PrĂĽfinstitut anzuwendenden Normen vorgesehene Rauchentwicklung hatte.13)
13 Als Sonderproblem hat sich in diesem Verfahren die Frage der Beweislastverteilung erwiesen. Der schlecht bewertete Anbieter von Rauchmeldern war zunächst im einstweiligen Rechtsschutz vor den Kölner Gerichten14) erfolglos geblieben. Es war ihm zwar möglich, Unstimmigkeiten am Testergebnis wie auch der ihm vorab überlassenen Anbieterinformation aufzuzeigen und eigene (bessere) Testergebnisse vorzulegen. Hingegen konnte er im Eilverfahren eine Vorlegung des vollständigen Testberichts nicht erzwingen. Das Gericht zeigte wohl ein gewisses Verständnis für sein Verlangen,15) lehnte einen entsprechenden Anspruch gemäß §§ 422, 423 ZPO aber im Ergebnis aufgrund des rechtlich begrenzten Prüfumfangs im einstweiligen Rechtsschutz ab.
14 Erfolgreich war der Rauchmelderhersteller erst im Hauptsacheverfahren, nachdem seinem Begehren stattgegeben wurde und die internen PrĂĽfberichte vorgelegt werden mussten.16)
15 Das Ergebnis des Eilverfahrens ist insoweit nachvollziehbar, als die Veröffentlichung von Testergebnissen durch die Presse- und Meinungsfreiheit geschützt ist und nicht jeder Getestete, der mit seinem Ergebnis unzufrieden ist oder das Ergebnis nicht nachvollziehen kann, eingeladen werden sollte, derlei Veröffentlichungen – noch dazu im vorläufigen Rechtsschutz – gerichtlich untersagen zu lassen. Berücksichtigt man aber die potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen eines schlechten Testergebnisses, soweit dieses von einem namhaften Testanbieter stammt, so ist der hier bis zum Verbot aufgelaufene Zeitrahmen als höchst unbefriedigend einzuordnen. Selbst wenn man mit den Kölner Gerichten17) davon ausgeht, dass die Vorlegung gemäß §§ 422, 423 ZPO im Eilverfahren nicht in Betracht kommt, so bliebe doch mit Blick auf das Verfahren um den Rauchmeldertest zu fragen, ob nicht die Anforderungen an eine hinreichende Glaubhaftmachung der mangelnden Sachkunde des Testanbieters zu hoch gesteckt waren. Das gilt insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass der Getestete nur die Möglichkeit hat, anhand von extern bekannten Umständen vorzutragen, wohingegen die Vorgehensweise im Test für ihn weitgehend eine „Blackbox“ bleibt. Deswegen sollte überlegt werden, ob nicht wie in anderen Bereichen, beispielsweise im Wettbewerbsrecht in den Bereichen der Gesundheits- oder Umweltwerbung,18) auch im Eilverfahren Glaubhaftmachungserleichterungen für den Antragsteller oder eine sekundäre Darlegungslast des Testunternehmens häufiger diskutiert werden sollten.
III. Anforderungen an den Werbenden
1. Wiedergabe des Testergebnisses in der Werbung
16 Werbung mit aktuellen Testergebnissen für Produkte, die den getesteten entsprechen und die auch nicht technisch überholt sind, ist nicht irreführend, wenn die von einem Dritten verliehene Auszeichnung in einem seriösen Verfahren vergeben und nicht erschlichen worden ist.19) Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann mit dem Testergebnis geworben werden, ohne dass der Werbende das Ergebnis noch mit eigenen Nachweisen unterfüttern muss. Die vorgenannte Aussage gilt auch bei Werbung für mit dem Testgegenstand baugleiche Produkte, soweit eine entsprechende Kennzeichnung erfolgt. Hingegen darf nicht für veränderte Produkte geworben werden. Das gilt selbst dann, wenn der Werbende mit gutem Grund für sich in Anspruch nimmt, dass das geänderte Produkt gegenüber dem Testgegenstand sogar Verbesserungen aufweise.20)
17 Auch das Paraphrasieren und Umschreiben des Testergebnisses bleibt zulässig, solange der Werbende das Testergebnis nicht überstrapaziert, indem er es zu seinen Gunsten verändert.21) Entsprechend hat der BGH auch die überspitzte Zusammenfassung des Testergebnisses mit Aussagen wie „Das beste Netz“ zugelassen.22) Auch die Herausstellung des bestbewerteten Produkts als „Testsieger“ ist damit im Normalfall zulässig, selbst wenn dieser Titel nicht explizit von der Testinstitution verliehen wurde. Grenzen sieht die Rechtsprechung aber beispielsweise dort, wo ein Test nicht repräsentativ ist, weil das Testfeld nur wenige Produkte umfasst.23)
2. Pflichtinformationen
18 Ergänzend zu den Anforderungen an die wahrheitsgetreue Wiedergabe des Testergebnisses treffen den Werbenden Informationspflichten. Zunächst bleibt es dabei: Sobald in der Werbung ein Testergebnis genannt ist, soll der Werbende den angesprochenen Verkehrskreisen Gelegenheit geben, dieses anhand der angewandten Testkriterien zu prüfen und das Ergebnis im Vergleichsumfeld der mitgetesteten Produkte einzuordnen. Das gilt selbst dann, wenn ein Testsiegel in einer Werbemaßnahme nicht hervorgehoben ist, sondern nur als Teil der Produktabbildung erscheint.24) Andernfalls liegt eine Irreführung durch Vorenthalten wesentlicher Informationen gemäß §§ 5a, 5b UWG vor.25)
19 Hinzukommt eine Tendenz der Rechtsprechung, vom Werbenden ergänzende Informationen zu fordern. Dies betrifft nicht nur Angaben, mit denen Verbrauchern eine genaue Einordnung des getesteten Produkts bzw. Produkttyps möglich ist (z.B. Größe und Härtegrad bei Matratzen). Vielmehr werden auch weitere Informationen zum Test als „wesentlich“ eingestuft. Beispielsweise hat das KG das Fehlen einer Information zu einem sehr kleinen und nicht repräsentativen Testfeld von nur vier Produkten in Verbindung mit der Bewerbung des hier bestbewerteten Produkts als „Testsieger“ als Verstoß gegen eine Informationspflicht eingeordnet.26) Das ist schwer nachvollziehbar. Ein Test, der nicht hinreichend neutral, objektiv und sachkundig ist, z.B. weil er nicht repräsentativ ist, rechtfertigt keine Werbung mit einem Siegel oder einem Testsieg. Sinn und Zweck einer derartigen Werbung ist es, auf einen Blick einen besonderen Qualitätsnachweis zu vermitteln. Wenn ein solcher Qualitätsnachweis aber nicht erbracht werden kann, weil der Test nicht repräsentativ ist oder an sonstigen Mängeln krankt, liegt es nahe, eine entsprechende Werbung als irreführend entgegen § 5 UWG einzustufen. Das sollte nicht durch Zusatzinformationen umgangen werden können, weil diese die eindeutige Botschaft, die ein Testsiegel oder das Prädikat „Testsieger“ vermitteln, nur unzureichend relativieren.
IV. Ausblick: Umsetzung der Regelungen zu Nachhaltigkeitssiegeln gemäß der EmpCo-Richtlinie
1. Verschärfte Anforderungen an Nachhaltigkeitssiegel
20 Mögliche Einschränkungen bei der Werbung mit Testsiegeln oder Test-Logos ergeben sich aus dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.27) In dem seit dem 03.09.2025 vorliegenden Regierungsentwurf ist in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/825 (sog. „EmpCo“-Richtlinie) in der neuen Nr. 2a des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG-E ein Verbot des unzulässigen Anbringens eines Nachhaltigkeitssiegels vorgesehen, wenn das Siegel „weder auf einem Zertifizierungssystem beruht noch von staatlichen Stellen festgesetzt wurde.“
21 Mit dieser Neuregelung soll die Belastbarkeit, Glaubwürdigkeit und Transparenz von Nachhaltigkeitssiegeln sichergestellt werden. Begründet wird dies mit dem gesteigerten Maß an Vertrauen, das Verbraucher regelmäßig in die durch ein Nachhaltigkeitssiegel nachgewiesenen Eigenschaften eines Produkts setzen.28) Damit soll der Gefahr der Irreführung von Verbrauchern durch nicht belastbare Nachhaltigkeitssiegel begegnet werden.29)
22 Ab dem 27.09.2026 wäre folglich die Werbung mit Siegeln, die Nachhaltigkeitskriterien betreffen, unzulässig, soweit diese von nicht-staatlichen Anbietern herausgegeben und die Einhaltung der Prüfkriterien nicht durch einen externen und unabhängigen Dritten überwacht wird. Viele der aktuell verwendeten, von privaten Institutionen und Verlagen herausgegebenen Testsiegel wären damit nicht mehr werblich nutzbar, sofern sie auch als „Nachhaltigkeitssiegel“ zu qualifizieren sind.
2. Testsiegel als „Nachhaltigkeitssiegel“?
23 Definiert wird das „Nachhaltigkeitssiegel“ im neuen § 2 Abs. 2 Nr. 4 UWG-E als ein freiwilliges öffentliches oder privates Vertrauenssiegel, Gütezeichen oder Ähnliches mit dem Ziel, ein Produkt, ein Verfahren oder eine Geschäftstätigkeit gegenüber Verbrauchern in Bezug auf ihre ökologischen oder sozialen Merkmale oder beides hervorzuheben oder zu fördern. Ausgenommen sind nur gesetzlich verpflichtende Kennzeichnungen.
24 Hier stellen sich zwei Fragen: (1) Können Testergebnisse, soweit diese in Testsiegeln wiedergegeben werden, als Nachhaltigkeitssiegel eingestuft werden? Und wenn ja, (2) welcher Nachhaltigkeitsbezug ist erforderlich, damit aus einem Testsiegel (auch) ein Nachhaltigkeitssiegel wird?
25 Die erste Frage dürfte dahingehend zu beantworten sein, dass ein Testsiegel im Zweifel auch als „Vertrauenssiegel, Gütezeichen oder Ähnliches“ im Sinne der vorgenannten Definition einzuordnen sein wird. Auch wenn einige Testveranstalter, wie z.B. die Stiftung Warentest,30) den Begriff des Testsiegels in ihrer Kommunikation vermeiden und stattdessen von einem „Test-Logo“ sprechen, ist die Definition des „Nachhaltigkeitssiegels“ denkbar weit und sieht insbesondere keine Beschränkungen auf Einzelprüfungen vor. Jedenfalls aus Verbrauchersicht könnte auch bei einem Logo, das vorrangig eine einheitliche und aufmerksamkeitsstarke Testhinweiswerbung ermöglichen soll, der Eindruck eines Siegels oder Gütezeichens entstehen. Somit ist es durchaus denkbar, dass auch ein bei einem Vergleichstest vergebenes Siegel bzw. Logo unter die Definition der neuen Nr. 2a der sog. „Schwarzen Liste“ fällt.
26 Schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage, ab wann es sich um ein spezifisches „Nachhaltigkeitssiegel“ im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 4 UWG-E handelt. Viele Produkttests beziehen Umweltfragen, wie z.B. die Recycling-Fähigkeit von Produkten oder Bemühungen des Herstellers um ressourcenschonende Verarbeitung mit ein. Aber nur wenige Testanbieter, wie z.B. der ÖKO-TEST Verlag sind auf Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen ausgerichtet. Hier äußert sich die Gesetzesbegründung wie folgt:
„Nach der Definition in Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2024/825 ist ein freiwilliges öffentliches oder privates Vertrauenssiegel, Gütezeichen oder Ähnliches nur dann als Nachhaltigkeitssiegel einzuordnen, wenn es das Ziel verfolgt, ökologische und/oder soziale Merkmale hervorzuheben oder zu fördern. Insbesondere wenn ökologische und/oder soziale Merkmale nur eine untergeordnete Rolle spielen, kann im Einzelfall das Siegel oder Zeichen nach dem Verständnis des betroffenen Verkehrskreises auch kein Nachhaltigkeitssiegel darstellen.“31)
27 Die Zielsetzung, ökologische oder soziale Merkmale zu fördern, dürfte demnach auszuschließen sein, wenn „Umweltkriterien“ im Test nur einen geringfügigen Anteil ausmachen und nach ihrer Gewichtung nicht entscheidend zum Testergebnis beitragen. Damit ist davon auszugehen, dass die meisten gängigen Testangebote aktuell nicht unter die Definition des „Nachhaltigkeitssiegels“ fallen. Allerdings macht die Gesetzesbegründung hier keine klaren Vorgaben, weil sie nur ein auf das Verständnis der betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall abstellt.
28 Insoweit verbleibt eine Unsicherheit, ab wann bei einem Testsiegel, dem zumindest auch die Prüfung von Nachhaltigkeitsaspekten zugrunde liegt, auch ein „Nachhaltigkeitssiegel“ anzunehmen ist. Es ist davon auszugehen, dass nicht auf Umweltaspekte und Nachhaltigkeitsfragen spezialisierte Testanbieter diese Thematik in Zukunft eher nicht vertiefen werden.
29 Gleichwohl manifestiert das Gesetzgebungsvorhaben ein schützenswertes Verbraucherinteresse hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und Absicherung der Aussagen von Nachhaltigkeitssiegeln. Es ist zu erwarten, dass die hier angenommene Verbrauchererwartung „abfärbt“. Denn der Verkehr wird sich nicht einerseits durch das neue UWG in seinem Vertrauen in Nachhaltigkeitssiegel bestärkt sehen und andererseits sonstige Siegel gleichbleibend kritisch hinterfragen, da ihm die rechtlichen Vorgaben im Zweifel nicht bekannt sind. Damit ist zu erwarten, dass auch die Anforderungen an Testveranstalter und deren Neutralität, Objektivität und Sachkunde wie auch an die Wiedergabe von Testergebnissen in der Werbung ab September 2026 eher steigen werden.
Der Beitrag basiert auf einem Vortrag, den die Autorin beim 23. Frankfurter Symposium der WRP zum Thema „20 Jahre UGP-Richtlinie“ am 05.06.2025 gehalten hat. An den in Fn. 1 und Fn. 6 genannten Entscheidungen war die Kanzlei der Autorin auf Antragstellerseite beteiligt.
Mehr ĂĽber die Autorin erfahren Sie auf S. 1507.
KG, 24.05.2016 – 5 W 103/16, n. v.
BGH, 09.12.1975 – I ZR 157/73, BGHZ 65, 325 – Warentest II, BGH, 21.02.1989 – VI ZR 18/88, WRP 1989, 789 – Warentest IV.
Feddersen, WRP 2019, 1255, 1256, unter Verweis auf BGH, 13.02.2003 – I ZR 41/00, WRP 2003, 1111, 1113 – Schachcomputerkatalog; BGH, 24.01.2019 – I ZR 200/17, WRP 2019, 736 – Das beste Netz.
BGH, 21.07.2016 – I ZR 26/15, WRP 2016, 1221 – LGA tested.
BGH, 21.07.2016 – I ZR 26/15, WRP 2016, 1221, Rn. 45 – LGA tested.
LG Hamburg, 18.10.2016 – 406 HKO 38/16, n. v.
So schon BGH, 09.12.1975 – VI ZR 157/73, GRUR 1976, 286 – Warentest II.
OLG München, 22.05.2025 – 29 U 867/23, WRP 2025, 954.
LG München I, 13.02.2023 – 4 HK O 14545/21, WRP 2023, 506.
OLG München, 22.05.2025 – 29 U 867/23, WRP 2025, 954 Rn. 53.
BGH, 14.01.2020 – VI ZR 496/18, WRP 2020, 483 – yelp.de.
LG München, 13.01.2014 – 9 O 25477/13, GRUR-RR 2014, 273 – „Nuss-Schokolade“.
LG Frankfurt a. M., 13.03.2025 – 2-03 O 430/21, K&R 2025, 512.
OLG Köln, 09.03.2021, 15 W 6/21, n. v.; siehe auch Ettig/Höch, K&R, 2025, 457.
Georg, ZfPC 2025, 128.
LG Frankfurt a. M., 13.03.2025 – 2-03 O 430/21, K&R 2025, 512.
OLG Köln, 09.03.2021, 15 W 6/21, n. v.
BGH, 27.06.2024 – I ZR 98/23, WRP 2024, 928 – klimaneutral.
Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 5 Rn. 2.280 unter Bezugnahme auf BGH, 24.01.2019 – I ZR 200/17, WRP 2019, 736 – Das beste Netz.
OLG Köln, 11.07.2003 – 6 U 209/02, NJOZ 2003, 3311.
BGH, 24.01.2019 – I ZR 200/17, WRP 2019, 736 – Das beste Netz.
BGH, 24.01.2019 – I ZR 200/17, WRP 2019, 736, Rn. 78 – Das beste Netz.
KG, 14.07.1998 – 5 U 5008/97, juris.
BGH, 15.04.2021 – I ZR 134/20, WRP 2021, 895 – Testsiegel auf Produkt.
BGH, 21.07.2016 – I ZR 26/15, WRP 2016, 1221 – LGA tested.
KG, 14.07.1998 – 5 U 5008/97, juris.
GesetzesbegrĂĽndung RegE, https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RegE/RegE_UWG_Aend3.pdf?__blob=publicationFile&v=5. Vgl. hierzu Nippe, WRP 2025, 1393 ff. (in diesem Heft).
GesetzesbegrĂĽndung RegE (Fn. 27), S. 37.
GesetzesbegrĂĽndung RegE (Fn. 27), S. 37.
Vgl. z.B. unter https://www.test.de/unternehmen/werbung-5016972-5016979/.
GesetzesbegrĂĽndung RegE (Fn. 27), S. 30.



