Wettbewerb in Recht und Praxis
Definitionen-Durcheinander im Regierungsentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des UWG
Quelle: Wettbewerb in Recht und Praxis 2025 Heft 11 vom 21.10.2025, Seite 1393

Definitionen-Durcheinander im Regierungsentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des UWG

Ass. jur. Dr. Wolfgang Nippe, Dresden*

INHALT

I. Problemstellung
II. Unterschiedliche Umsetzungsmethoden
III. Organisation der Definitionsbestimmungen

1. Die Verortung der Definitionen in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 RegE
2. Das alphabetische Ordnungsprinzip des § 2 Abs. 1 UWG
IV. Fehlende Definitionen

1. Fehlende Definition des Begriffs „Produkt“
2. Fehlende Definition des Begriffs „Werbung“
V. Schlussbemerkung

Der Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des UWG in der von der Bundesregierung am 03.09.2025 beschlossenen Version des Regierungsentwurfs wird bei den Definitionen aus der EmpCo-RL (RL (EU) 2024/825) den Anforderungen an die Umsetzung von EU-Richtlinien im Hinblick auf Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht gerecht, indem er Verweisungen auf Bestimmungen außerhalb des UWG vorsieht. Ebenso wenig ĂŒberzeugt die Verteilung der Definitionen auf zwei AbsĂ€tze in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 RegE danach, ob es sich um nachhaltigkeitsbezogene Definitionen handelt oder sie auf andere Regelungen verweisen.

I. Problemstellung

1 Nach dem Diskussionsentwurf1) und dem Referentenentwurf2) verabschiedete die Bundesregierung am 03.09.2025 den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb3) in das parlamentarische Verfahren. Er sieht die EinfĂŒgung elf weiterer Definitionen in das UWG vor. Zehn von ihnen sollen unionsrechtliche Vorgaben der RL 2005/29/EG ĂŒber unlautere GeschĂ€ftspraktiken4) (UGP-RL) umsetzen, die durch Art. 1 Nr. 1 lit. a) und lit. b) RL (EU) 2024/8255) (EmpCo-RL) ergĂ€nzt wurde. Eine weitere Definition („Online-Schnittstelle“) geht auf Art. 16e RL 2011/83/EU ĂŒber die Rechte der Verbraucher (VRRL)6) zurĂŒck, den Art. 1 Nr. 4 RL (EU) 2023/26737) dort einfĂŒgte. Zur Umsetzung wendet der Regierungsentwurf (RegE) unterschiedliche Methoden an: die Ausformulierung der Begriffsbestimmungen einerseits und andererseits die Verweisung auf Definitionsregelungen im europĂ€ischen oder nationalen Recht. Organisatorisch sind fĂŒr die neuen Definitionen zwei AbsĂ€tze in § 2 RegE vorgesehen, der Begriff „Waren“ soll in der hinzukommenden Nr. 23d Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE definiert werden. Eine Definition des Begriffs „Produkt“ fehlt, ebenso nach wie vor fĂŒr den Begriff „Werbung“. Die geplante Umsetzung der Definitionsbestimmungen ist wenig glĂŒcklich.

II. Unterschiedliche Umsetzungsmethoden

2 Einige Definitionen formuliert der RegE anhand des Richtlinientextes aus, in anderen verweist er auf unionsrechtliche (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 RegE) oder nationale Definitionsvorschriften in anderen Gesetzen (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 und Nr. 5 sowie Nr. 23d Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE), die ihrerseits unionsrechtliche Bestimmungen umsetzen. Aus welchen GrĂŒnden der RegE die eine oder andere Methode wĂ€hlt, bleibt unbekannt. Zum Teil ist das federfĂŒhrende Bundesministerium der Justiz und fĂŒr Verbraucherschutz (BMJV) in den VorentwĂŒrfen von einer Methode zur anderen gewechselt. WĂ€hrend der Diskussionsentwurf (DiskE) die Begriffe „FunktionalitĂ€t“ und „Haltbarkeit“ durch Verweise auf BGB-Vorschriften (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 DiskE) definiert hatte, formulierte der Referentenentwurf (RefE) die Definitionen aus (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 RefE), was der RegE beibehĂ€lt (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 RegE). Der Wandel in der Methodik ging, so ist es der BegrĂŒndung zum RefE zu entnehmen, auf die Stellungnahme der Deutschen Vereinigung fĂŒr Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e. V. (GRUR) zum DiskE zurĂŒck.8) Sie hatte eingewandt, dass sich zum Begriff der „Haltbarkeit“ der Verweis in § 2 Abs. 3 Nr. 2 DiskE auf § 434 Abs. 3 S. 2 BGB nicht als Definition eigne, da die BGB-Vorschrift den Begriff nicht definiere, sondern nur erwĂ€hne, sodass seine Bedeutung durch richtlinienkonforme Auslegung des Art. 2 Nr. 13 RL (EU) 2019/7719) erst ermittelt werden mĂŒsse.10) Die Definition des Begriffs „FunktionalitĂ€t“ in § 2 Abs. 3 Nr. 1 DiskE in Form einer Verweisung auf § 327e Abs. 2 S. 2 BGB sei zu eng, da diese Vorschrift nur digitale Produkte i. S. d. § 327 Abs. 1 S. 1 BGB betreffe und damit hinter Art. 2 Nr. 9 RL (EU) 2019/771 zurĂŒckbleibe,11) der allgemein von „Waren“ spricht. Der RefE formulierte die Definitionen der Begriffe „FunktionalitĂ€t“ (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 RefE) und „Haltbarkeit“ (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 RefE) mit dem Wortlaut des Art. 2 Nr. 9 und Nr. 13 RL (EU) 2019/771 aus, den die neuen Definitionen in Art. 2 lit. w) und lit. t) UGP-RL in Bezug nehmen.

3 Ein grundsĂ€tzlicher Mehrwert von „Verweisungsdefinitionen“ wird bezweifelt.12) Die Verweisung auf eine unionsrechtliche Vorschrift macht ein TĂ€tigwerden des nationalen Gesetzgebers entbehrlich, falls die Definition im Unionsrecht inhaltlich geĂ€ndert wird. Hat er die Definition ausformuliert, muss er seinen Gesetzestext der neuen Unionsvorgabe anpassen. Anpassungsbedarf besteht auch, wenn die in Bezug genommenen Vorschriften verschoben oder in anderen Regelungskomplexen untergebracht werden.13) Der Nutzen von Verweisungen ist deshalb begrenzt. Die Frage ist jedoch, ob die Methode der Verweisung auf außerhalb des jeweiligen Gesetzes liegende nationale oder unionsrechtliche Vorschriften unter rechtlichen Gesichtspunkten ein gangbarer Weg ist.

4 An die QualitĂ€t von Richtlinienumsetzungen werden – als Ausfluss des EffektivitĂ€tsgrundsatzes – hohe Anforderungen in Bezug auf Rechtsklarheit und Rechtssicherheit gestellt.14) Erkennbarkeit und normative Belastbarkeit des Umsetzungsaktes spielen vor allem dann die entscheidende Rolle, wenn mit der Richtlinie Rechte Einzelner begrĂŒndet werden sollen.15) Die wörtliche Übernahme des Richtlinientextes in eine ausdrĂŒckliche, besondere Rechtsvorschrift ist damit zwar nicht geboten. Ein allgemeiner rechtlicher Kontext genĂŒgt, sofern dieser tatsĂ€chlich die vollstĂ€ndige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewĂ€hrleistet. Die Richtlinienvorschriften mĂŒssen allerdings mit unbestreitbarer Verbindlichkeit und mit der Konkretheit, Bestimmtheit und Klarheit so umgesetzt werden, dass der Einzelne in die Lage versetzt wird, von seinen Rechten Kenntnis zu nehmen,16) ohne auf die Richtlinie RĂŒckgriff nehmen zu mĂŒssen.17) Den Einwand, die Richtlinie enthalte eine derart ausfĂŒhrliche Regelung, dass der Einzelne sein Recht aufgrund der Richtlinienvorschriften erfassen könne, wies der EuGH zurĂŒck.18) Diese GrundsĂ€tze gelten auch fĂŒr die Umsetzung von Definitionen.19)

5 Was die Umsetzung anbelangt, sind Definitionsnormen daher nicht anders zu behandeln als Gebots- oder Verbotsnormen. Das spricht fĂŒr die Ausformulierung auch der Definitionen. Dem lĂ€sst sich nicht entgegenhalten, dass die UGP-RL in einigen neu eingefĂŒgten Definitionsbestimmungen – erstmals – selbst mit dem Mittel der Verweisung arbeitet, so bei den Begriffen „Waren“, „anerkannte hervorragende Umweltleistung“, „Haltbarkeit“, „Softwareaktualisierung“ und „FunktionalitĂ€t“. Richtlinien richten sich nach Art. 288 Abs. 3 AEUV an die Mitgliedstaaten. Das bringen die einzelnen Richtlinien auch selbst zum Ausdruck (Art. 21 UGP-RL; Art. 9 Omnibus-RL; Art. 6 EmpCo-RL. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, in ihren nationalen Rechtsordnungen alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die volle Wirksamkeit einer Richtlinie zu gewĂ€hrleisten.20) Adressaten einer Richtlinie sind damit die innerstaatlichen Rechtsetzungsorgane. Das nationale Gesetz, das eine EU-Richtlinie umsetzt, wendet sich dagegen an die Rechtsunterworfenen. Das sind im Fall des UWG primĂ€r Unternehmer, aber auch Verbraucher, denen § 9 Abs. 2 S. 1 UWG einen Schadensersatzanspruch gewĂ€hrt.

6 Selbst wenn es aus RechtsgrĂŒnden nicht geboten sein sollte, wĂ€re es eine Geste der Höflichkeit gegenĂŒber den Rechtsuchenden, in den Definitionen auf Verweisungen zu verzichten. Anwenderfreundlicher sind Ausformulierungen allemal, auch fĂŒr Juristen.

III. Organisation der Definitionsbestimmungen

7 Der RegE verteilt die neu einzufĂŒgenden Definitionen auf zwei AbsĂ€tze: § 2 Abs. 2 RegE soll die „nachhaltigkeitsbezogenen Definitionen“ enthalten,21) § 2 Abs. 3 RegE diejenigen Begriffsbestimmungen, „die sich teilweise oder vollstĂ€ndig auf Definitionen des BĂŒrgerlichen Gesetzbuchs oder auf Definitionen aus einem Rechtsakt der EuropĂ€ischen Union beziehen.“22) Der aktuelle § 2 Abs. 2 UWG mit der Verbraucherdefinition soll, da er auf eine BGB-Vorschrift verweist, wortgleich in Absatz 3 eingebunden werden (§ 2 Abs. 3 Nr. 5 RegE). Die Definition des Warenbegriffs, die aus der Verweisung auf zwei BGB-Vorschriften bestehen soll, ist von § 2 Abs. 3 Nr. 6 RefE in die Nr. 23d Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE verschoben worden. Die neuen Definitionen sollen nicht in den Katalog des § 2 Abs. 1 UWG eingepflegt werden, weil die dadurch bedingte Änderung der Nummerierung zu einer „schlechteren VerstĂ€ndlichkeit frĂŒherer Gerichtsentscheidungen“ fĂŒhren wĂŒrde.23) Nach Auffassung Alexanders entsteht dadurch „ein nicht ganz leicht durchschaubares Geflecht der umzusetzenden Normen und der Umsetzungsnormen.“24) Das Konzept des RegE dient in der Tat nicht der Übersichtlichkeit.

1. Die Verortung der Definitionen in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 RegE

8 Gesetzliche Definitionen erlĂ€utern Begriffe, die in verschiedenen Bestimmungen des jeweiligen Gesetzes von Bedeutung sind. Ein Definitionenkatalog zu Beginn des Gesetzes zieht die Begriffsbestimmungen vor die Klammer. Bei den umwelt- und nachhaltigkeitsbezogenen Regelungen der EmpCo-RL und des RegE fĂ€llt indessen auf, dass sie Spezialbegriffe verwenden, die teilweise nur in einer Vorschrift enthalten sind. Die Begriffe „allgemeine Umweltaussage“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 RegE) und „anerkannte hervorragende Umweltleistung“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 RegE) tauchen nur in Nr. 4a Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE auf. Vom „Zertifizierungssystem“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 RegE) ist allein in Nr. 2a Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE die Rede. Der Begriff der „FunktionalitĂ€t“ (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 RegE) begegnet ausschließlich in Nr. 23d lit. g) Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE, die „Online-Schnittstelle“ (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 RegE) exklusiv in Nr. 33 Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE und dort auch nur in der Überschrift, die nicht der umzusetzenden Richtlinie entstammt. In diesen FĂ€llen bietet es sich an, die Definitionen als zusĂ€tzliche SĂ€tze in denjenigen Vorschriften zu verankern, in denen sie ausschließlich gebraucht werden. Dadurch werden die Definitionen in den rechtlichen Zusammenhang gestellt, in dem sie ihre alleinige und maßgebliche Bedeutung haben.

9 Diese Methode praktiziert das geltende UWG bereits. Der Begriff „unzulĂ€ssige BeeintrĂ€chtigung“ wird in Art. 2 lit. j) UGP-RL definiert, hat aber nur fĂŒr aggressive GeschĂ€ftspraktiken Bedeutung. Folglich hat ihn der Gesetzgeber in § 4a Abs. 1 S. 3 UWG verortet.25) 

10 Den in § 2 Abs. 3 Nr. 4 RegE definierten Begriff „Softwareaktualisierung“ benutzt der RegE in Nr. 23d lit. a) und lit. b) Anh. zu § 3 Abs. 3. Der Begriff „Betriebsstoff“, definiert in § 2 Abs. 2 Nr. 3 RegE, findet sich in Nr. 23d lit. f) und lit. g) Anh. zu § 3 Abs. 2 RegE. Hier lassen sich die Begriffe in Nr. 23d lit. a) bzw. lit. f) Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE definieren, worauf in der jeweils folgenden Vorschrift verwiesen werden kann. Auch fĂŒr diese Methode liefert das geltende UWG ein Beispiel. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, die Begriffsbestimmung der „Aufforderung zum Kauf“ aus Art. 2 lit. i) UGP-RL in den Definitionenkatalog des § 2 Abs. 1 UWG zu ĂŒberfĂŒhren, sondern er umschreibt den Begriff in § 5b Abs. 1 UWG. Auf diese Vorschrift verweisen Nr. 5 und Nr. 6 Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG. Verweisungen innerhalb eines Gesetzes sind nicht in demselben Maße anwenderfeindlich wie Verweisungen auf andere Gesetze, Richtlinien oder Verordnungen.

11 Diese Methode sollte auch fĂŒr die Definition des Begriffs „Nachhaltigkeitssiegel“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 RegE) herangezogen werden, obwohl er eine Besonderheit aufweist. Die einzige materiellrechtliche Vorschrift, in der dieser Ausdruck erwĂ€hnt wird, ist Nr. 2a Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE. Das ist zugleich diejenige Bestimmung, in der das „Zertifizierungssystem“ einmalig auftritt („das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das weder auf einem Zertifizierungssystem beruht noch von staatlichen Stellen festgesetzt wurde“). DarĂŒber hinaus ist das Nachhaltigkeitssiegel nur Bestandteil der Definition des Begriffs „Zertifizierungssystem“(§ 2 Abs. 2 Nr. 6 RegE: „ein System der ÜberprĂŒfung durch Dritte, durch das bestĂ€tigt wird, dass ein Produkt, ein Verfahren oder eine GeschĂ€ftstĂ€tigkeit bestimmte Anforderungen erfĂŒllt, dass die Verwendung eines entsprechenden Nachhaltigkeitssiegels ermöglicht (
)“). Daher sollte in Nr. 2a Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE neben dem „Zertifizierungssystem“ in einem weiteren Satz das „Nachhaltigkeitssiegel“ definiert werden. Dorthin sollte die in Nr. 4a Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE zu verankernde Definition der „allgemeinen Umweltaussage“ verweisen, die das „Nachhaltigkeitssiegel“ als negatives Abgrenzungsmerkmal gebraucht.

12 Ähnlich verhĂ€lt es sich mit dem Begriff „Umweltaussage“, auf den man in den Bestimmungen des § 5 Abs. 3 Nr. 4 RegE zur IrrefĂŒhrung mit einer Umweltaussage ĂŒber die kĂŒnftige Umweltleistung und in Nr. 4b Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE zur Reichweite einer Umweltaussage trifft. Er ist aber auch Bestandteil der Definition des Begriffs „allgemeine Umweltaussage“. § 2 Abs. 2 Nr. 1 RegE leitet sie ein mit den Worten: „Im Sinne dieses Gesetzes ist ‚allgemeine Umweltaussage‘ eine schriftlich oder mĂŒndlich, einschließlich ĂŒber audiovisuelle Medien, getĂ€tigte Umweltaussage, (
).“ Die Definition fĂŒr die Umweltaussage selbst wird entsprechend der alphabetischen Ordnung in § 2 Abs. 2 Nr. 5 RegE aufgefĂŒhrt. Die Platzierung aufeinander bezogener Definitionen an unterschiedlichen Stellen im Gesetz26) ist misslich. Es kommt hinzu, dass entgegen dem ĂŒblichen SprachverstĂ€ndnis die „allgemeine Umweltaussage“ ein spezieller Fall der „Umweltaussage“ ist.27) Da der Begriff „allgemeine Umweltaussage“ nur in Nr. 4a Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE verwendet wird und seine Definition deshalb in dieser Vorschrift ihren angemessenen Platz hat, sollte dort auch die „Umweltaussage“ definiert werden.

13 Der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 RegE definierte Begriff der „Haltbarkeit“ soll in drei Vorschriften des UWG eingebaut werden, nĂ€mlich in § 5 Abs. 2 Nr. 1 RegE als Bezugspunkt einer zur TĂ€uschung geeigneten Angabe, in § 5b Abs. 3a RegE als wesentliche Information bei Produktvergleichen sowie in Nr. 23d lit. c) Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE betreffend irrefĂŒhrende Angaben zur Haltbarkeit von Waren. Die mehrfache Verwendung des Begriffs in unterschiedlichen rechtlichen ZusammenhĂ€ngen spricht dafĂŒr, die Definition der „Haltbarkeit“ vor die Klammer zu ziehen und in den Katalog des § 2 Abs. 1 UWG zu integrieren.

14 Die Verbraucherdefinition in § 2 Abs. 2 UWG ist gegenwĂ€rtig die einzige im UWG, die mit dem Mittel der Verweisung auf eine andere gesetzliche Vorschrift arbeitet. Der RegE will sie beibehalten und in den § 2 Abs. 3 Nr. 5 RegE verschieben. Die Verweisung geht auf die UWG-Reform 2004 zurĂŒck.28) Die GesetzesbegrĂŒndung der UWG-Reform 2008 zur Umsetzung der UGP-RL konzediert, dass § 13 BGB mit der Definition in Art. 2 lit. c) UGP-RL zwar nicht wörtlich, aber der Sache nach ĂŒbereinstimmt. Sie bezieht dies allerdings auf die in den Verbraucherbegriff einbezogenen Personenkreise29) und nicht auf den Aspekt, dass § 13 BGB das rechtsgeschĂ€ftliche Handeln der Verbraucher betrifft, wĂ€hrend die UGP-RL auch Verhaltensweisen zur Absatzförderung (Art. 2 lit. d) UGP-RL) sowie GeschĂ€ftspraktiken vor, bei und nach einem Vertragsabschluss (Art. 3 Abs. 1 UGP-RL) umfasst. Da der Begriff „Verbraucher“ fĂŒr das gesamte UWG zentral ist, sollte seine Definition anhand der unionsrechtlichen Vorgabe in Art. 2 lit. c) UGP-RL ausformuliert30) und in den Katalog des § 2 Abs. 1 UWG eingefĂŒgt werden.

15 Damit könnten die AbsÀtze 2 und 3 des § 2 RegE entfallen.

2. Das alphabetische Ordnungsprinzip des § 2 Abs. 1 UWG

16 Die alphabetische Anordnung der Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 1 UWG sieht Alexander als „nicht ĂŒberzeugendes Prinzip“ an.31) Seiner Auffassung nach „rĂ€cht“ es sich bei der EinfĂŒgung der neuen Definitionen. Mit einer gewissen Erleichterung wird es daher aufgenommen, dass § 2 Abs. 1 UWG „im Interesse einer KontinuitĂ€t der Rechtsanwendung und einer Orientierung im UWG“32) unangetastet bleiben soll und weil der Praxis nach der EinfĂŒhrung der alphabetischen Sortierung im Jahre 202133) „nicht schon wieder eine Umstellung zuzumuten“ sei.34) Der Gesetzgeber hat die alphabetische Ordnung aber gerade zu dem Zweck eingefĂŒhrt, „die Übersichtlichkeit zu erhöhen.“35) Eine alphabetische Reihenfolge ist das geeignete Ordnungsprinzip, um einzelne Definitionen schnell auffinden zu können. Als Gegenbeispiel mag § 1 Abs. 4 DDG dienen mit der Auflistung von 17 Definitionen, bei der ein Ordnungsprinzip nicht zu erkennen ist. Sicherlich lassen sich Definitionen nach thematischen Gesichtspunkten anordnen, was aber nur Kennern der Materie auffallen dĂŒrfte. Das Einarbeiten neuer Definitionen in einen alphabetischen Katalog muss nicht zu einer Änderung aller nachfolgenden Nummern fĂŒhren, denn Gliederungspunkte lassen sich in einer Kombination aus Zahlen und Buchstaben (z.B. „4a“) darstellen. Das trĂŒge auch der Besorgnis Rechnung, dass eine Änderung der Nummerierung zu einer „schlechteren VerstĂ€ndlichkeit frĂŒherer Gerichtsentscheidungen“36) fĂŒhren wĂŒrde.

IV. Fehlende Definitionen

17 Im RegE fehlt eine Definition des Begriffs „Produkt“. Mit ihm im Zusammenhang steht der Begriff der „Waren“, der in Nr. 23d Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE definiert werden soll. Eine Begriffsbestimmung fĂŒr den Ausdruck „Werbung“ findet sich wiederum nicht im Gesetz. Dem RegE zufolge soll es ohne gesetzliche Definitionen der Begriffe „Produkt“ und „Werbung“ bleiben. Das vermag nicht zu ĂŒberzeugen.

1. Fehlende Definition des Begriffs „Produkt“

18 Bislang enthĂ€lt das UWG keine Definition des Begriffs „Produkt“. In der UWG-Reform des Jahres 2008 sah der Gesetzgeber von einer Umsetzung der ursprĂŒnglichen Begriffsbestimmung in Art. 2 lit. c) UGP-RL („jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, Rechte und Verpflichtungen“) bewusst ab. Anstelle des Ausdrucks „Produkt“ entschied er sich fĂŒr die Umschreibung „Waren oder Dienstleistungen“. In der GesetzesbegrĂŒndung hieß es dazu: „Der Begriff ‚Produkt‘ ist damit identisch mit dem Begriff ‚Ware oder Dienstleistung‘, der in dem geltenden UWG eingefĂŒhrt ist (vgl. § 4 Nr. 6, 8 und 9; § 6 Abs. 1 und 2; § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 2; § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG). Auch das Markengesetz verwendet den Begriff ‚Ware oder Dienstleistung‘. DemgegenĂŒber ist der Oberbegriff ‚Produkt‘ dem deutschen Wettbewerbsrecht fremd. Im Interesse einer einheitlichen Terminologie und weil der Begriff ‚Produkt‘ nicht zur weiteren PrĂ€zisierung beitrĂ€gt, soll dieser nicht in das UWG ĂŒbernommen werden.“37) Art. 3 Nr. 1 lit. a) Omnibus-RL38) prĂ€zisierte den Begriff. Produkt ist seitdem „jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, digitaler Dienstleistungen und digitaler Inhalte, sowie Rechte und Verpflichtungen.“ Im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Omnibus-RL thematisierte der Gesetzgeber den Begriff nicht.39) Das Gesetz spricht weiterhin von „Ware oder Dienstleistung“.

19 Das will der RegE Ă€ndern. Er verwendet den Begriff „Produkt“ in mehreren Bestimmungen, auch in Definitionsnormen (§ 2 Abs. 2 Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6, § 5b Abs. 3a sowie Nr. 4b, Nr. 4c und Nr. 10a Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE). In den Wortkombinationen „Produktbezeichnungen“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 RegE) und „Produktkategorien“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 10a Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE) tritt er ebenfalls auf. Dennoch enthĂ€lt der RegE keine Definition dieses Begriffs. Auch die BegrĂŒndung zum RegE geht darauf nicht ein. Es mutet seltsam an, dass der Begriff „Waren“ in Nr. 23d Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE gesetzlich definiert werden soll, der Begriff „Produkt“ dagegen nicht. Bliebe es dabei, enthielte das Gesetz eine ungeschriebene Verweisung auf Art. 2 lit. c) UGP-RL in der Fassung des Art. 3 Nr. 1 lit. a) Omnisbus-RL. Das bedeutete ein Umsetzungsdefizit.

20 Die Aufnahme einer Definition des Begriffs „Produkt“ in das UWG ist daher geboten. Ihr Wortlaut sollte sich an die unionsrechtliche Vorgabe in Art. 2 lit. c) UGP-RL anlehnen.40)

21 Zur GewĂ€hrleistung eines einheitlichen Sprachgebrauchs sollte der Gesetzgeber auch die Umschreibung „Ware oder Dienstleistung“ gegen den Begriff „Produkt“ austauschen.41) Das wĂŒrde zudem einen Gleichlauf der Begrifflichkeiten mit der UGP-RL herstellen und diente der Rechtsklarheit, hinter der der gesetzgeberische Aufwand zurĂŒckstehen sollte.42)

22 Bestandteil der Produktdefinition in Art 2 lit. c) UGP-RL ist der Begriff „Ware“. Dieser hat durch den neuen Art. 2 lit. ca) UGP-RL eine eigenstĂ€ndige Definition erhalten. Ihre Umsetzung ist in Form einer Verweisung auf zwei BGB-Vorschriften in Nr. 23d Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE geplant. KĂ€me es dazu, befĂ€nden sich im UWG zwei unterschiedliche Warenbegriffe. Das geltende Recht enthĂ€lt bereits – etwas versteckt im zweiten Halbsatz zur Definition der „geschĂ€ftlichen Handlung“ in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG – eine Beschreibung des Warenbegriffs. Da sie GrundstĂŒcke und digitale Inhalte in den Warenbegriff einbezieht, geht sie inhaltlich ĂŒber die Definition in Nr. 23d Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE hinaus. Die BegrĂŒndung zum RegE geht darauf nicht ein.

23 In der UWG-Reform 2008 lehnte der Gesetzgeber die Übernahme des Begriffs „Produkt“ zwar ab, fĂŒgte der Definition der „geschĂ€ftlichen Handlung“ in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2008 aber die ErlĂ€uterung „als Waren gelten auch GrundstĂŒcke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen“ hinzu.43) Im Wege einer Fiktion erklĂ€rte er GrundstĂŒcke zu Waren. 2021 erweiterte er die Fiktion auf „digitale Inhalte“.44) Der GesetzesbegrĂŒndung zufolge handelt es sich dabei um eine Unterkategorie der Waren.45) Dieser Warenbegriff ist in der Literatur anerkannt.46)

24 An dem weiten Warenbegriff lĂ€sst sich spĂ€testens seit der umzusetzenden Definition in Art. 2 lit. ca) UGP-RL nicht mehr festhalten. Die Vorschrift verweist auf Art. 2 Nr. 5 RL (EU) 2019/771. Die dortige Definition ist stufenförmig aufgebaut. Nach Art. 2 Nr. 5 lit. a) RL (EU) 2019/771 sind Waren „bewegliche körperliche GegenstĂ€nde“.47) Der deutsche Gesetzgeber hat diese Regelung in § 241a Abs. 1 BGB umgesetzt. Art. 2 Nr. 5 lit. b) RL (EU) 2019/771 definiert die „Waren mit digitalen Elementen“. Die Vorschrift sagt ausdrĂŒcklich, dass nur bewegliche körperliche GegenstĂ€nde solche Waren sein können, nĂ€mlich „bewegliche körperliche GegenstĂ€nde, die in einer Weise digitale Inhalte48) oder digitale Dienstleistungen49) enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfĂŒllen könnten.“ Umgesetzt ist diese Bestimmung in § 327a Abs. 3 S. 1 BGB. Folglich nimmt Nr. 23d Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE auf beide BGB-Vorschriften Bezug. Deshalb von einem „gespaltenen Warenbegriff“50) oder einer zweiteiligen Umsetzung51) zu sprechen, trifft angesichts des stufenförmigen Aufbaus der unionsrechtlichen Warendefinition den Kern nicht ganz.

25 Der Befund jedoch lautet: Der Warenbegriff des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 UWG schließt GrundstĂŒcke ein (weiter Warenbegriff), Nr. 23d Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE spart sie aus (enger Warenbegriff). Alexander merkt zutreffend an, dass dies die im deutschen Recht angelegte Konsequenz ist.52) Unionsrechtlich ist sie indessen nicht veranlasst. Die Definition in Art. 2 lit. ca) UGP-RL umfasst nur bewegliche körperliche GegenstĂ€nde, entweder ohne oder mit digitalen Elementen. Damit steht fest: Immobilien sind Produkte, aber keine Waren.53) Die Einbeziehung der GrundstĂŒcke in den Warenbegriff des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 UWG ist ein deutscher Sonderweg.

26 Folgender Ausweg liegt nahe: Übernimmt der Gesetzgeber die Definition des Begriffs „Produkt“ aus Art. 2 lit. c) UGP-RL in das nationale Recht, kann § 2 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 UWG entfallen.54) Diese Regelung hĂ€tte dann keine Funktion mehr. Eine Definition des Produktbegriffs im UWG ist geboten, da der RegE den Ausdruck an mehreren Stellen des Gesetzestextes verwendet, allein fĂŒnfmal in § 5b Abs. 3a RegE. Angesichts seiner zentralen Bedeutung sollte die Definition im Katalog des § 2 Abs. 1 UWG verortet werden. Wo das Gesetz die Umschreibung „Ware oder Dienstleistung“ verwendet, sollte sie gegen den Ausdruck „Produkt“ ausgetauscht werden.55) Das wĂŒrde die Verwendung zweier Warenbegriffe mit unterschiedlichem Inhalt vermeiden.56)

27 Einer Umsetzung der Warendefinition des Art. 2 lit. ca) UGP-RL bedarf es ebenfalls. Sie erĂŒbrigt sich nicht durch eine gesetzliche Definition des Begriffs „Produkt“, denn die umzusetzenden Bestimmungen der Nr. 23f bis 23j UGP-RL betreffen nur Waren und nicht Produkte. Das mag auch der Grund sein, dass der RegE die Warendefinition in Nr. 23d Anh. zu § 3 Abs. 3 RegE platziert hat. DarĂŒber hinaus enthĂ€lt die Definition des Begriffs „Betriebsstoff“ in Art. 2 lit. v) UGP-RL den Ausdruck „Ware“. Außerdem verwenden Art. 2 lit. u) UGP-RL (Definition der „Softwareaktualisierung“) und Nr. 23d Anhang I UGP-RL den Begriff „Ware mit digitalen Elementen“.

28 Die ausformulierte Definition hat im Katalog des § 2 Abs. 1 UWG ihren angemessenen Platz. Der Unionsgesetzgeber hat sie im Anschluss an die Produktdefinition in die UGP-RL eingefĂŒgt, was sich aus dem Gliederungspunkt „ca)“ ergibt. Um das Zusammenspiel von „Produkt“ und „Ware“ deutlich zu machen, sollten beide Definitionen in einer Nummer zusammengefasst werden.

2. Fehlende Definition des Begriffs „Werbung“

29 Es wird seit jeher als schwer verstĂ€ndlich empfunden, dass das UWG keine Definition der „Werbung“ als einer der wichtigsten Begriffe des Lauterkeitsrechts enthĂ€lt.57) Das Gesetz benutzt ihn in mehreren Bestimmungen, zumeist als Substantiv, aber auch als Wortverbindung (Nr. 21 Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG: „Werbematerial“), als Verb (§ 5 Abs. 5 UWG: „mit der Herabsetzung eines Preises zu werben“; § 5 Abs. 3 Nr. 3 RegE: „mit Vorteilen fĂŒr Verbraucher geworben wird“) oder in adjektivischer Form (Nr. 21 Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG: „die beworbene Ware oder Dienstleistung“).

30 Sofern die Vorschriften auf der UGP-RL beruhen, lĂ€sst sich ein Umsetzungsdefizit kaum beklagen, denn die Richtlinie selbst enthĂ€lt keine Definition dieses Begriffs. Zudem fĂ€llt auf, dass einige Richtlinienbestimmungen den Ausdruck „Werbung“ zur ErlĂ€uterung anderer Begriffe heranziehen. In Art. 2 lit. d) UGP-RL zur Definition der GeschĂ€ftspraktiken findet sich die Formulierung „kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing“, Ă€hnlich heißt es in Art. 7 Abs. 5 UGP-RL „kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing“. Die Bezugnahme auf „vergleichende Werbung“ in Art. 6 Abs. 2 lit. a) UGP-RL („jegliche Art der Vermarktung eines Produkts, einschließlich vergleichender Werbung“) nimmt Bezug auf die RL 2006/114/EG ĂŒber irrefĂŒhrende und vergleichende Werbung.58) Eine gewisse NĂ€he zur vergleichenden Werbung ist auch bei Nr. 13 Anhang I RL UGP-RL („Werbung fĂŒr ein Produkt, das einem Produkt eines bestimmten Herstellers Ă€hnlich ist“) auszumachen. AnknĂŒpfungspunkt fĂŒr ihre UnzulĂ€ssigkeit ist eine ProduktĂ€hnlichkeit in dem Sinne, dass sich die TĂ€uschung auf das Produkt eines bestimmten Herstellers beziehen muss.59) Nr. 11a Anhang I UGP-RL60) verwendet die Kombination „bezahlte Werbung“, macht sie aber nicht zum Gegenstand der lauterkeitsrechtlichen ÜberprĂŒfung. Sie erlangt nur insoweit Bedeutung, als sie als Mittel zu dem Zweck eingesetzt wird, ein höheres Ranking in der Anzeige von Online-Suchergebnissen zu erzielen. Tathandlung der Nr. 21 Anhang I UGP-RL ist „die Übermittlung von Werbematerial unter BeifĂŒgung einer Zahlungsaufforderung“. Sie ist stets unzulĂ€ssig, „wenn damit der unzutreffende Eindruck vermittelt wird, die beworbene Ware oder Dienstleistung sei bereits bezahlt.“ Damit steht die Zahlungsaufforderung und nicht das Werbematerial im Vordergrund. AnknĂŒpfungspunkt der Nr. 28 Anhang I UGP-RL ist „die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder“. Im Fokus liegt die „unmittelbare Aufforderung an Kinder“ und nicht die Werbung. Angesichts dieser TatbestĂ€nde verwundert es nicht, dass die UGP-RL den Begriff der „Werbung“ nicht definiert. Seine normative Bedeutung bleibt hinter seiner umgangssprachlichen Verwendung auch im lauterkeitsrechtlichen Zusammenhang zurĂŒck.

31 EigenstĂ€ndige Bedeutung hat der Begriff „Werbung“ durch Art. 6 Abs. 2 lit. e) UGP-RL erhalten, der durch Art. 1 Nr. 2 lit. b) EmpCo-RL neu in die UGP-RL gekommen ist. Als irrefĂŒhrend gilt danach „Werbung mit Vorteilen fĂŒr Verbraucher, die irrelevant sind und sich nicht aus einem Merkmal des Produkts oder der GeschĂ€ftstĂ€tigkeit ergeben.“ § 5 Abs. 3 Nr. 3 RegE formuliert, wenn „mit Vorteilen fĂŒr Verbraucher geworben wird.“ Die BegrĂŒndung zum RegE geht auf den Begriff „Werbung“ nicht ein.

32 Die TatbestĂ€nde der BelĂ€stigung in § 7 UWG verwenden ebenfalls den Begriff „Werbung“. Sie beruhen teilweise auf Art. 13 Abs. 1 bis Abs. 4 RL 2002/58 (Datenschutzrichtlinie fĂŒr elektronische Kommunikation).61) Der darin verwendete Begriff der „Direktwerbung“ bleibt allerdings auch ohne Definition.

33 Anders liegen die Dinge bei der RL 2006/114/EG ĂŒber irrefĂŒhrende und vergleichende Werbung. Ihrem Titel entsprechend enthĂ€lt die Richtlinie Definitionen der Begriffe „irrefĂŒhrende Werbung“ (Art. 2 lit. b) RL 2006/114/EG) und „vergleichende Werbung“ (Art. 2 lit. c) RL 2006/114/EG). Der Begriff der „irrefĂŒhrenden Werbung“ in dieser Richtlinie hat fĂŒr das deutsche Recht keine Bedeutung. Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2006/114/EG gestattet es den Mitgliedstaaten, bei irrefĂŒhrender Werbung einen weiterreichenden Schutz der Unternehmer vorzusehen. Davon hat der Gesetzgeber Gebrauch gemacht, indem er irrefĂŒhrende geschĂ€ftliche Handlungen gegenĂŒber anderen Marktteilnehmern als Verbrauchern den §§ 5, 5a UWG unterstellt, die Bestimmungen der UGP-RL umsetzen.62) Die Definition der „vergleichende[n] Werbung“ hat der Gesetzgeber nicht in den Definitionenkatalog des § 2 Abs. 1 UWG integriert, sondern in § 6 Abs. 1 UWG verortet. Die in Art. 2 lit. a) RL 2006/114/EG enthaltene Definition des Begriffs „Werbung“ hat er allerdings nicht ĂŒbernommen. Die Rechtsprechung zieht diese Richtlinienvorschrift jedoch heran, wenn es um die Bestimmung des Begriffs „Werbung“ in anderen Vorschriften geht.63) Da es geboten ist, auch Definitionen im nationalen Recht zu normieren, sollte sie im UWG enthalten sein.

34 Bleibt die Frage der Verortung. Unmittelbare Bedeutung hat die Definition in Art. 2 lit. a) RL 2006/114/EG nur fĂŒr die vergleichende Werbung. Das spricht fĂŒr ihre Aufnahme in § 6 UWG. Allerdings sollte der Begriff der „Werbung“ im gesamten UWG einheitlich verstanden werden. Deshalb ist der Definitionenkatalog des § 2 Abs. 1 UWG der richtige Platz.

V. Schlussbemerkung

35 Definitionen sind ein unentbehrliches Arbeitsmittel bei der Rechtsanwendung. Man denke nur an die Bedeutung des Begriffs „geschĂ€ftliche Handlung“. Vorschriften mit Begriffsdefinitionen sollten daher nicht auf Bestimmungen in anderen Gesetzen nationalen oder europĂ€ischen Ursprungs verweisen. Die Ausformulierung richtlinienbasierter Definitionen im nationalen Recht ist unter den Gesichtspunkten der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geboten. Auch die Auffindbarkeit benötigter Definitionen ist ein QualitĂ€tsmerkmal eines Gesetzes.


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Mehr ĂŒber den Autor erfahren Sie auf S. 1507.

3)

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 03.09.2025, BR-Drucks. 438/25 (nachfolgend: RegE, BR-Drucks. 438/25).

4)

RL 2005/29/EG des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 11.05.2005 ĂŒber unlautere GeschĂ€ftspraktiken im binnenmarktinternen GeschĂ€ftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der RL 84/450/EWG des Rates, der RL 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates sowie der VO (EG) Nr. 2006/2004 des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates (RL ĂŒber unlautere GeschĂ€ftspraktiken), ABl. L 149 vom 11.06.2005, S. 22, geĂ€ndert durch Art. 3 der RL (EU) 2019/2161 des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der RL 93/13/EWG des Rates und der RL 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union, ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7 (Omnibus-RL). Allgemein zur KomplexitĂ€t europĂ€ischer Gesetzgebung Dreher, WRP 2025, 1111 ff.

5)

RL (EU) 2024/825 des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 28.02.2024 zur Änderung der RL 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der StĂ€rkung der Verbraucher fĂŒr den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen, ABl. L 2024/825 vom 06.03.2024 (nachfolgen: EmpCo-RL).

6)

RL 2011/83/EU des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 ĂŒber die Rechte der Verbraucher, zur AbĂ€nderung der RL 93/13/EWG des Rates und der RL 1999/44/EG des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der RL 85/577/EWG des Rates und der RL 97/7/EG des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64.

7)

RL (EU) 2023/2673 des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 22.11.2023 zur Änderung der RL 2011/83/EU in Bezug auf im Fernabsatz geschlossene FinanzdienstleistungsvertrĂ€ge und zur Aufhebung der RL 2002/65/EG, ABl. L 2023/2673 vom 28.11.2023.

8)

BegrĂŒndung zum RefE, S. 12.

9)

RL (EU) 2019/771 des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 20.05.2019 ĂŒber bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der VO (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der RL 1999/44/EG, ABl. L 136 vom 22.05.2019, S. 28.

10)

Stellungnahme des Fachausschusses fĂŒr Wettbewerbs- und Markenrecht der GRUR zum Diskussionsentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, GRUR 2025, 899, 902 (nachfolgend: GRUR-Stellungnahme DiskE).

11)

GRUR-Stellungnahme DiskE, GRUR 2025, 899, 902.

12)

Alexander, WRP 2025, 265, 267.

13)

Alexander, WRP 2025, 265, 267.

14)

Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 288 AEUV Rn. 76.

15)

Gundel, in: Pechstein/Nowak/HĂ€de, EUV, GRC und AEUV, Band IV, 2. Aufl. 2023, Art. 288 AEUV Rn. 26.

16)

EuGH, 03.03.2011 – C-50/09, Slg. I 2011, 877, 895 f. Rn. 46 – Kommission/Irland.

17)

Gundel, in: Pechstein/Nowak/HĂ€de (Fn. 15), Art. 288 AEUV Rn. 26.

18)

EuGH, 20.03.1997 – C-96/95, Slg. I 1997, 1668, 1679 f. Rn. 37 = RIW 1997, 432 – Kommission/Deutschland.

19)

EuGH, 19.12.2013 – C-281/11, BeckRS 2013, 82377 Rn. 59 f. – Kommission/Polen.

20)

EuGH, 16.06.2005 – C-456/03, Slg. I 2005, 5335, 5378 Rn. 50 – Kommission/Italien.

21)

RegE, BR-Drucks. 438/25, S. 24.

22)

RegE, BR-Drucks. 438/25, S. 29.

23)

RegE, BR-Drucks. 438/25, S. 24.

24)

Alexander, WRP 2025, 265, 266.

25)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses fĂŒr Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) vom 04.11.2015, BT-Drucks. 18/6571, S. 15.

26)

Von einem „Auseinanderreißen“ der Definitionen spricht Alexander, WRP 2025, 265, 266.

27)

Alexander, WRP 2025, 265, 266.

28)

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 03.07.2004, BGBl. I 2004, 1414.

29)

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 30.08.2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 11.

30)

Alexander, WRP 2025, 265, 267.

31)

Alexander, Editorial WRP Heft 2/2025.

32)

Alexander, WRP 2025, 265, 266.

33)

Art. 1 Nr. 1 Gesetz zur StÀrkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3504.

34)

GRUR-Stellungnahme DiskE, GRUR 2025, 899, 900.

35)

Entwurf eines Gesetzes zur StÀrkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 24.03.2021, BT-Drucks. 19/27873, S. 32.

36)

RegE, BR-Drucks. 438/25, S. 24.

37)

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 30.08.2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 12.

38)

Omnibus-RL, ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7.

39)

Entwurf eines Gesetzes zur StÀrkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 24.03.2021, BT-Drucks. 19/27873, S. 8 und 32 f.

40)

GRUR-Stellungnahme DiskE, GRUR 2025, 899, 903.

41)

GRUR-Stellungnahme DiskE, GRUR 2025, 899, 903.

42)

ZurĂŒckhaltend Alexander, WRP 2025, 265, 268.

43)

Art. 1 Nr. 2 lit. a) aa) Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22.12.2008, BGBl. I 2008, 2949.

44)

In Art. 2 Nr. 6 RL (EU) 2019/771 werden digitale Inhalte definiert als „Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden.“

45)

Entwurf eines Gesetzes zur StÀrkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 24.03.2021, BT-Drucks. 19/27873, S. 32.

46)

Köhler, in: Köhler/Feddersen (Hrsg.), Kommentar zum UWG 43. Aufl. 2025, § 2 Rn. 2.42; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, Kommentar zum UWG, 8. Aufl. 2023, § 2 Rn. 55; Alexander, WRP 2025, 265, 268.

47)

Art. 2 Nr. 5 lit. a) RL (EU) 2019/771 fĂŒgt hinzu, dass als Waren auch Wasser, Gas und Strom gelten, wenn sie in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden.

48)

Definition in Art. 2 Nr. 6 RL (EU) 2019/771.

49)

Definition in Art. 2 Nr. 7 RL (EU) 2019/771.

50)

GRUR-Stellungnahme DiskE, GRUR 2025, 899, 902.

51)

RegE, BR-Drucks. 438/25, S. 37.

52)

Alexander, WRP 2025, 265, 268.

53)

Vor dem unionsrechtlichen Hintergrund ebenso Alexander, WRP 2025, 265, 268.

54)

GRUR-Stellungnahme DiskE, GRUR 2025, 899, 903.

55)

GRUR-Stellungnahme DiskE, GRUR 2025, 899, 903.

56)

A. A. Alexander, WRP 2025, 265, 268, der anstelle einer „großflĂ€chigen Änderung von UWG-TatbestĂ€nden“ eine „differenzierende Auslegung“ des Warenbegriffs als das „kleinere Übel“ ansieht.

57)

Alexander, WRP 2025, 265, 268.

58)

RL 2006/114/EG des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 ĂŒber irrefĂŒhrende und vergleichende Werbung, ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 21.

59)

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 30.08.2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 32; BGH, 27.03.2013 – I ZR 100/11, WRP 2013, 778, 785 Rn. 77 f. – AMARULA/Marulablu.

60)

EingefĂŒgt durch Art. 2 Nr. 7 lit. a) Omnisbus-RL, ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7.

61)

RL 2002/58/EG des EuropĂ€ischen Parlaments des Rates vom 12.07.2002 ĂŒber die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der PrivatsphĂ€re in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie fĂŒr elektronische Kommunikation), ABl. L 201 vom 31.07.2002, S. 37 in der Fassung des Art. 2 Nr. 7 RL 2009/136/EG des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 zur Änderung der RL 2002/22/EG ĂŒber den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, der RL 2002/58/EG ĂŒber die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der PrivatsphĂ€re in der elektronischen Kommunikation und der VO (EG) Nr. 2006/2004 ĂŒber die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, ABl. L 337 vom 18.12.2009, S. 11.

62)

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 30.08.2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 23.

63)

BGH, 17.07.2013 – I ZR 34/12, WRP 2014, 164, 165 Rn. 23 – Runes of Magic zu Nr. 28 Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG; BGH, 10.07.2018 – VI ZR 225/17, BGHZ 219, 233, 239 Rn. 18, WRP 2018, 1335, 1337 – Kundenzufriedenheitsbefragung zu § 7 Abs. 2 und Abs. 3 UWG; BGH 14.01.2016 – I ZR 65/14, WRP 2016, 958, 961 Rn. 27 – Freunde finden zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG.