Immobilien Zeitung 36 vom 04.09.2025 Seite 21
FOKUS LOGISTIK
Auf das zweite Halbjahr kommt es an
Investitionen. Die erste JahreshÀlfte war von wirtschaftlicher Unsicherheit geprÀgt. Kein Wunder also, dass zuletzt weniger Geld in Lagerhallen und Verteilzentren investiert wurde. Experten glauben aber, dass sich das in der zweiten JahreshÀlfte Àndern wird.
Im ersten Halbjahr 2025 ist das Volumen aller Investitionen in Logistik- und Industrieimmobilien im Vergleich zum Vorjahr um etwa ein Viertel eingebrochen. Unterm Strich wurden zwischen 2,1 Mrd. und 2,8 Mrd. Euro in Lagerhallen und Verteilzentren investiert. Die groĂen Gewerbemakler melden zwar unterschiedliche Zahlen. In der Analyse aber sind sie sich einig.
âDie Dynamik auf dem Logistikinvestmentmarkt ist höher, als der Blick auf das Transaktionsvolumen vermuten lĂ€sstâ, sagt etwa Diana Schumann, Head of Industrial & Logistics Investment bei JLL Germany. âAbschlĂŒsse benötigen weiterhin einen langen Zeitraum, was insbesondere fĂŒr die sich in ExklusivitĂ€t befindenden Portfoliotransaktionen gilt, deren Signings noch nicht erfolgt sind, sich aber zeitnah in den Ergebnissen niederschlagen dĂŒrften.â
Zudem habe sich die Menge der Investitionsmöglichkeiten im Markt erhöht, und auch die VermietungsmĂ€rkte wĂŒrden wieder positivere Signale senden, was sich unmittelbar auf die InvestmentmĂ€rkte auswirken werde. âNicht nur eine höhere Anzahl, sondern auch signifikantere AbschlĂŒsse dĂŒrften daher zu einer deutlich stĂ€rkeren zweiten JahreshĂ€lfte fĂŒhrenâ, prognostiziert Schumann. Sie hĂ€lt ein Transaktionsvolumen von etwa 7 Mrd. Euro fĂŒr realistisch.
Ăhnlich sieht das auch Christopher Raabe, GeschĂ€ftsfĂŒhrer und Head of Logistics & Industrial bei BNP Paribas Real Estate: âEs erscheint eine Ă€hnliche Entwicklung der Logistikinvestments wie im Vorjahr als das wahrscheinlichste Szenario. Insbesondere wenn die in Vorbereitung befindlichen groĂvolumigen Transaktionen, die im ersten Halbjahr fĂŒr ein höheres Ergebnis fehlten, erfolgreich abgeschlossen werden, dĂŒrfte zum Jahresende ein Volumen im Bereich des Vorjahres erreichbar sein.â Und das lag bei fast 7 Mrd. Euro.
âFĂŒr die weiterhin eher schwĂ€chelnde deutsche Wirtschaft werden mit den Sondervermögen fĂŒr Infrastruktur- und UmweltmaĂnahmen sowie den finanziellen SpielrĂ€umen fĂŒr Verteidigungsausgaben zwar positive Impulse gesetztâ, erklĂ€rt Raabe. Diese hĂ€tten auch schon zu einer Stimmungsaufhellung beigetragen. Die ganze Wirkung des Pakets werde jedoch erst zeitverzögert spĂŒrbar. âDarĂŒber hinaus bleibt die erratische US-Handelspolitik mit ihren weitreichenden Zöllen ein groĂer Unsicherheitsfaktor fĂŒr die Weltwirtschaftâ, mahnt Raabe. âDie Auswirkungen der Zollpolitik und möglicher Gegenzölle sind kaum absehbar und die sich hĂ€ufig Ă€ndernden Rahmenbedingungen hemmen Investitionen von Unternehmen. Daneben bleibe das geopolitische Umfeld durch zunehmende geopolitische Krisen und kriegerische Konflikte unsicher.
âAktuell sind nur wenige Core-Transaktionen zu beobachtenâ, betont Bertrand Ehm, Director Investment bei Savills. âKĂ€ufer stellen in Zeiten steigender LeerstĂ€nde sowie eines Endes des Anstiegs der Spitzenmiete hohe Anforderungen an Industrie- und Logistikimmobilien, bei denen Preise zur Spitzenrendite aufgerufen werden.â Der Markt fĂŒr Lagerhallen und Verteilzentren erweise sich als sehr sensibel in Bezug auf Lage, Restlaufzeit und Faktoren.
Trotz des DĂ€mpfers im ersten Halbjahr beobachtet Ehm MittelzuflĂŒsse: âWir erwarten, dass dieser Kapitaldruck perspektivisch wieder zu leicht sinkenden Renditen fĂŒhren wird.â Christian Kah, Head of Industrial & Logistics Investment Germany bei Colliers, weist darauf hin, dass der Bereich Industrie und Logistik in Deutschland eine stark nachgefragte Immobilienanlageklasse ist. So erzielte das Segment einen Marktanteil von 22% und liege damit auf dem dritten Platz, knapp hinter Einzelhandel mit 24% und BĂŒro mit ebenfalls 22%.
Vor allem auslĂ€ndische Investoren hĂ€tten das Vertrauen in den deutschen Markt aufgrund politischer StabilitĂ€t und wirtschaftlicher Weichenstellungen nicht verloren. âWĂ€hrend viele institutionelle Investoren damit beschĂ€ftigt sind, ihre Portfoliostrategie an die neuen Marktkonditionen anzupassen, nutzen andere die Chancen, zu weiterhin attraktiven Preisen Objekte anzukaufenâ, betont Kah. Vor allem internationale Anleger aus Westeuropa, dem Nahen Osten und Fernostasien zeigten sich aktiv.
Die Spitzenrendite fĂŒr Logistikimmobilien blieb laut CBRE stabil bei 4,4%. âWir haben im zweiten Quartal wieder ein Anziehen der Dynamik am deutschen Industrie- und Logistikimmobilieninvestmentmarkt beobachten könnenâ, sagt Kai Oulds, Head of Logistics Investment bei CBRE in Deutschland. âSo gab es gröĂere Transaktionen von Einzelobjekten in der Spanne von 50 Mio. bis 100 Mio. Euro. Damit öffnet sich ein Marktsegment, das zuletzt sehr inaktiv warâ, meint Oulds.
âDie LiquiditĂ€t fĂŒr Einzeltransaktionen von mehr als 100 Mio. Euro ist zurzeit begrenztâ, erklĂ€rt Schumann von JLL. âKĂ€ufer in diesem Segment haben höhere Renditeanforderungen. Nicht zuletzt, da die Konkurrenz bei diesen TicketgröĂen geringer ist.â Anders stelle sich die Situation bei kleineren Volumen dar: âHier ist mehr LiquiditĂ€t vorhanden, und es gibt eine verbesserte Grundlage fĂŒr KĂ€ufer und VerkĂ€ufer, sich auf einen Preis zu einigen.â Dies sende das positive Signal, dass der Markt willig sei und die Dynamik zunehme.
Zu den bedeutendsten Transaktionen des Halbjahres zĂ€hlt der Verkauf des WerksgelĂ€ndes von Ford in Saarlouis durch den Automobilhersteller an die Gesellschaft fĂŒr Wirtschaftsförderung des Saarlands. Zudem ist der Fonds Australian Super ein Joint Venture mit dem kanadischen Immobilienunternehmen Oxford Properties eingegangen und hat damit einen Anteil an dessen Escip-Portfolio sowie an M7 Real Estate erworben. Ebenfalls wechselten Immobilien im Rahmen der Ăbernahme von DB Schenker durch den Logistikdienstleister DSV den Besitzer.
Nicht nur das Investitionsvolumen ging im ersten Quartal zurĂŒck, auch der FlĂ€chenumsatz glitt ins Minus. Laut CBRE wurden rund 1,2 Mio. qm neu vermietet oder selbst genutzt. Das entspricht im Vergleich zum ersten Quartal 2024 einem RĂŒckgang um 6%. Mit lediglich einem Viertel war der Anteil von Eigennutzern am FlĂ€chenumsatz eher gering â ĂŒblicherweise liegt er bei etwa einem Drittel. Der Anteil von Neubauten am FlĂ€chenumsatz reduzierte sich um zwölf Prozentpunkte auf 50%. Innerhalb der vergangenen zwölf Monate sei der Leerstand bei den Big Boxes um 1,8 Prozentpunkte auf 4,5% gestiegen. Nicht fĂŒr alle spekulativen Entwicklungen konnten auch Nutzer gefunden werden. Dabei zeigen sich jedoch deutliche regionale Unterschiede. So betrug die Leerstandsquote in DĂŒsseldorf, Frankfurt, Hamburg und MĂŒnchen jeweils weniger als 2%. In Berlin und Leipzig hingegen stieg der Leerstand auf 8,9% bzw. 8,3%.
âWo es weiterhin eine dynamische Nachfrage gibt und die Möglichkeit fĂŒr neue Projektentwicklungen begrenzt ist, sind auch die LeerstĂ€nde weiterhin Ă€uĂerst gering. Das zeigt sich in SĂŒddeutschland sowie in Hamburgâ, sagt Philip Naumann, Senior Analyst Nationwide Industrial & Logistics Research bei CBRE in Deutschland. So befinden sich beispielsweise in Frankfurt und Rhein-Main sowie in MĂŒnchen aktuell keine spekulativen Big-Box-Projekte im Bau. Und auch in DĂŒsseldorf und Hamburg seien in spekulativen BaumaĂnahmen aktuell lediglich etwa 20.000 qm beziehungsweise 10.000 qm verfĂŒgbar.
Die Spitzenmieten blieben in den meisten MĂ€rkten stabil. Dabei haben die teuersten Standorte fĂŒr Logistik- und Industrieimmobilien ihre Positionen behauptet: Mit 10,70 Euro/qm werden in MĂŒnchen die höchsten Mieten aufgerufen, wĂ€hrend Berlin auf bis zu 10,50 Euro/qm kommt. Auf dem dritten Platz landet DĂŒsseldorf mit 9,00 Euro/qm.
Der Blick auf die vergangenen fĂŒnf Jahre zeigt, wie stark die Spitzenmieten angezogen sind: In Berlin legte der Wert laut JLL um deutliche 91% (etwa 5 Euro/qm mehr) zu, beim Schlusslicht Hannover/Braunschweig stieg die Miete um immerhin noch 16% (etwa 0,90 Euro/qm). In elf der 20 von JLL betrachteten MĂ€rkte betrug das Wachstum mehr als 50%.
âBisher deutet vieles darauf hin, dass sich das Marktgeschehen mit der bisherigen Dynamik und damit vergleichbar wie 2024 fortsetzen wirdâ, sagt Rainer Koepke, Head of Industrial & Logistics bei CBRE in Deutschland. âDer Leerstand wird voraussichtlich Mitte des Jahres seinen Höhepunkt erreichen.â Verschiebungen im internationalen Handel mĂŒssten nicht zwingend negative Auswirkungen auf den deutschen Logistikimmobilienmarkt haben. âSo zeigen asiatische Handelsunternehmen oder deren Logistikunternehmen groĂes Interesse an LagerflĂ€chen in deutschen HĂ€fen sowie im Ruhrgebietâ, betont Koepke.
Sarina Schekahn, Head of Industrial & Logistics Agency bei JLL Germany, sieht in der geopolitischen Lage auch Chancen fĂŒr den deutschen Markt, die es zu nutzen gilt: âDer deutsche Logistikimmobilienmarkt hat durch die aktuelle Konstellation das Potenzial, Standort fĂŒr Pufferlager und beispielsweise ein europĂ€isches Drehkreuz zu werden. Das gilt insbesondere fĂŒr die KonsumgĂŒter-, aber in Teilen auch fĂŒr die Automotive- Industrie.â
Mit rund 1,7 Mio. qm Neubauvolumen verzeichnet der deutsche Logistikimmobilienmarkt laut Logivest das schwĂ€chste Halbjahres-Ergebnis der letzten fĂŒnf Jahre. âMit rund 850.000 qm im ersten und knapp 830.000 qm im zweiten Quartal können wir die positiven Tendenzen von 2024 nicht fortsetzenâ, sagt Kuno Neumeier, der CEO von Logivest. âBei einem grauen Markt von rund 3 Mio. qm und LeerstĂ€nden im Bereich Bestandsimmobilien von mehr als 8 Mio. qm stehen die Neubauentwicklungen unter einem massiven Wettbewerbsdruckâ, erklĂ€rt Neumeier.
Auch wenn die Halbjahreszahlen in den vergangenen Jahren teils deutlich ĂŒber der Zwei-Millionen-Marke lagen, mag Neumeier nicht von einem Markteinbruch sprechen. âBetrachtet man die Zahlen der letzten zehn Jahre, sieht man, dass wir schlicht auf ein Vor-Corona- Niveau gesunken sind. 2019 hatten wir ein Ă€hnliches Ergebnis â in den Jahren zuvor lagen wir teils sogar noch deutlich darunter.â
Positive Aussichten zeigen sich auf dem Light-Industrial- Markt. Dieser kann mit rund 310.000 qm bereits eine deutliche Steigerung zum Vorjahr aufweisen. âDie wachsende Zahl an Light-Industrial-Projekten zeigt, dass der Produktionsstandort Deutschland durchaus noch attraktiv istâ, meint CEO Neumeier. âUnd auch bei den Logistikimmobilien ist die Pipeline weiterhin gut gefĂŒllt. Nun hĂ€ngt es davon ab, wie sich die Weltwirtschaft entwickelt und wie die Politik in Deutschland, aber vor allem in Europa, agiert.â
Peter Dietz



