TextilWirtschaft
„Mobile Payment macht den Kunden glücklicher“
Quelle: TextilWirtschaft 2025 Heft 41 vom 09.10.2025, Seite 30


TextilWirtschaft 41 vom 09.10.2025 Seite 30

„Mobile Payment macht den Kunden glücklicher“

Interview mit dem Payment-Experten Horst Rüter vom Kölner EHI Retail Institute

TW: Hat Wero das Potenzial, dem ewigen Branchenprimus Pay Pal Paroli zu bieten? Oder müssen wir uns darauf vorbereiten, dass der Friedhof der On- line- Bezahlsysteme einen weiteren Grabstein erhält?

HR: Wero ist definitiv ein Hoffnungsträger, der aber wahrscheinlich relativ verhalten starten wird. Es wird längere Zeit dauern, bis das System einen entsprechenden Durchsatz erreicht. Wir sprechen da nicht von ein bis drei Jahren. Das wird sicherlich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Schließlich ist der Markt mit kundenakzeptierten Systemen relativ gesättigt. Pay Pal ist ein etabliertes System mit einem Marktanteil von fast 30%. Wenn man die E-Commerce-Größen Amazon und Otto herausrechnet, die Pay Pal nicht (Amazon) oder nur verhalten (Otto) nutzen, liegt der Marktanteil wahrscheinlich sogar bei über 50%.

TW: Warum sollten die Händler Wero nutzen?

HR: Für den Einzelhändler hat Wero den Vorteil, dass es auf Echtzeit-Überweisung basiert. Das Geld ist somit sofort verfügbar. Für den Kunden ist das nicht unbedingt ein Vorteil, weil das Geld sofort weg ist. Damit ist Wero für die Kundschaft nicht so angenehm wie beispielsweise der Rechnungskauf. Dieser hat immer den Vorteil, dass sich die Kunden die Ware erst einmal in Ruhe angucken können und dann erst die Rechnung begleichen müssen. Das ist bei einem System, das auf Echtzeit- Überweisungen beruht, komplizierter. Dort müssen Sie das Geld zurückfordern, wenn Sie die Ware zurückschicken. Bei Pay Pal geht das relativ einfach. Dort wird das Geld in der Regel innerhalb kürzester Zeit wieder gutgeschrieben.

TW: Die Gebühren spielen sicherlich auch eine gewichtige Rolle …

HR: Ja, die Konditionen dürften bei Wero angenehmer sein als bei vielen großen Playern. Viele Händler träumen von Konditionen wie im stationären Handel bei der Girocard, obwohl sie wissen, dass das relativ utopisch ist. Die Gebühren dürften bei Wero aber auf jeden Fall deutlich günstiger sein als bei Pay Pal. Das würde dem Einzelhandel natürlich Spaß machen.

TW: Sind Ihnen die Konditionen von Wero bekannt? Angeblich besteht die Möglichkeit, die Preise zu verhandeln.

HR: Das habe ich auch gehört. Es gibt noch keine offiziellen Konditionen. Möglicherweise ist das wirklich eine Verhandlungslösung. Die Wero-Betreiber treten jetzt erst einmal an die großen Händler heran. Diese werden wahrscheinlich keine finalen Konditionen bekommen, sondern erst einmal Einführungskonditionen, um den Händlern das System schmackhaft zu machen.

TW: E-Commerce-Größen wie Otto und The Platform Group verfügen über eigene Bezahlmethoden? Sind derartige Insellösungen sinnvoll?

HR: Ja, es gibt eigene Lösungen, auch im stationären Bereich, zum Beispiel Lidl Pay oder Payback Pay als Verbundlösung. Das ergibt Sinn, wenn ich dem Kunden über so ein Tool weitere Leistungsbestandteile anbieten. Oder wenn ich eine Bezahlart habe, die aus meiner Sicht besonders preiswert ist.

TW: Wie kommen diese Lösungen bei den Kundinenen und Kunden an?

HR: Die meisten Verbraucher sind keine Freunde von Insellösungen, weil sie nicht unbedingt bereit sind, sich individuelle Tools herunterzuladen. Dazu muss eine besondere Beziehung zu dem Händler bestehen, also eine Art Stammkundenbeziehung. Oder der Kunde sammelt gerne Apps. Oder er versucht bei jeder Gelegenheit, eine Bezahlart zu wählen, die Vorteile bringt. Das ist aus Kundensicht aber nur dann sinnig, wenn er einen besonderen Vorteil bekommt.

TW: Mehrwert ist ein gutes Stichwort: Viele Experten sagen, dass ein neuer Bezahldienst nur dann eine Chance hat, wenn er einen zusätzlichen Nutzen anbietet, den man bei Wero noch nicht sehe.

HR: Für mich hat das Mobile Payment an sich einen enormen Mehrwert, weil es die schnellste Möglichkeit darstellt, etwas zu bezahlen. Wenn ich zum Beispiel Apple Pay mit hinterlegter Kreditkarte im Stationärhandel nutze, muss ich nur zweimal rechts auf eine Taste des iPhones drücken, da ich mich über Face ID schon authentifiziert habe.

Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass ich dann alle Zahlungsdaten auf meinem digitalen Endgerät habe. Dort kann man die Transaktionen vernünftig nachvollziehen. Das ist auch ein Mehrwert!

Payback Pay bietet jetzt einen weiteren Vorteil, seitdem die Nutzer weitere Kundenbindungsprogramme in der App nutzen können. All diese Vorteile funktionieren besonders gut mit einem Smartphone. Kurzum: Mobiles Bezahlen ist prädestiniert, den Kunden glücklicher zu machen. Im stationären Handel werden 6% der Käufe mit dem Smartphone oder der Smartwatch bezahlt. Wenn man alle Bezahlvorgänge im Handel, also auch die Barzahlungen, als Basis nimmt, kann man sagern, dass 2024 fast 13% der unbaren Bezahlvorgänge mobil getätigt wurden. Doppelt so viel wie im Vorjahr. Deswegen denke ich auch, dass mobiles Bezahlen gar nicht mehr vor dem Durchbruch steht, sondern den Durchbruch bereits geschafft hat.

TW: Wie ist es dazu gekommen?

HR: Dazu beigetragen haben große Anbieter, allen voran Apple und Google und zuletzt der Online- Payment- Marktführer Pay Pal. Dessen Kunden können seit Mai ihre Mastercard in ihrer Wallet hinterlegen und somit mit ihrer Kreditkarte ihre mobilen Einkäufe bezahlen. Das wird häufig genutzt. Somit ist eine neue Gruppe hinzugekommen, die jetzt mobil bezahlt.

TW: Welchen Einfluss hatte Corona?

HR: Die Pandemie war ein großer Pusher. Sie hat die Kartenzahlung deutlich vorangebracht. Wir haben in den Jahren 2020 bis 2022 enorme Anteilssteigerungen gesehen, sowohl beim Umsatz als auch bei den Transaktionen. Es sind immer mehr Kunden dazu übergegangen, auch kleinere Transaktionen per Karte oder Smartphone zu tätigen.

TW: War die Öffnung der NFC-Schnittstelle von Apple vor zwei Jahren auch ein Grund, warum die Nutzung von Mobile Payment so stark gestiegen ist.

HR: Ja, sicherlich. Das hat Pay Pal erst ermöglicht, mit der Mastercard auf das iPhone zu gehen. Die Sparkassen sind schon vor einiger Zeit mit der Girocard in die Apple Wallet gegangen. Das ist Pay Pal nicht möglich. Die Sparkassen zahlen an Apple eine Lizenzgebühr und dürfen daher sowohl mit ihren Kreditkarten als auch mit ihrer Girocard in die Apple-Wallet. Die Genossenschaftsbanken, aber auch Pay Pal müssen den Umweg über eine eigene App gehen, was den Zahlungsvorgang etwas verlangsamt.

TW: Und mittlerweile dürfe der Anteil des Mobile Payment an allen Bezahlvorgängen noch höher ausfallen, weil die EHI-Studie auf Zahlen aus dem Jahr 2024 basiert.

HR: Ja, die Zahlen werden jetzt sicher noch höher sein. Und sie werden weiter steigen, weil Pay Pal erst im Mai im Stationärhandel gestartet ist. Wir haben erste ersten Erfahrungsberichte von Händlern nach denen die Nutzungszahlen sehr ordentlich sind. Und: Man merkt an bestimmten Kurven im Einzelhandel, dass im Moment die Mastercard-Akzeptanz leicht nach oben geht, was auf Pay Pal zurückzuführen sein dürfte.

Zur Person

Horst Rüter ist seit 35 Jahren für das Kölner Handelsforschungs- und Bildungsinstitut EHI tätig und beschäftigt sich seitdem intensiv mit der Entwicklung von Bezahlsystemen im Einzelhandel. Er ist seit 2007 Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortet als Forschungsbereichsleiter u. a. Studien zum stationären und Online-Payment.

Bert Rösch