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Noch jede Menge Luft nach oben
Quelle: fvw | TravelTalk 2025 Heft 22 vom 24.10.2025, Seite 16


fvw | TravelTalk 22 vom 24.10.2025 Seite 16

Noch jede Menge Luft nach oben

Die Kreuzfahrtbranche bemĂĽht sich um mehr Nachhaltigkeit, doch trotz Fortschritten bleibt noch viel zu tun.

Klappern gehört zum Handwerk. Das betrifft auch die Kreuzfahrtbranche und ihren Einsatz und ihr Bemühen um mehr Nachhaltigkeit. Gern vermelden die Reedereien daher die von ihnen getroffenen Maßnahmen für mehr Klimaschutz. Dazu gehört Mitte Oktober der Anschluss von zwei Schiffen von MSC Cruises – MSC World Europa und Explora II – an zwei aufeinanderfolgenden Tagen an die Landstromanlage von Valetta auf Malta. Eine Premiere für die Schweizer Reederei und, so MSC, ein bedeutender Fortschritt im eigenen Landstromprogramm. Die Nutzung der Landstromanschlüsse auf Malta, aber auch in anderen Häfen unterstreiche das Engagement der Kreuzfahrtsparte der MSC Group für einen sauberen Hafenbetrieb.

Allein steht MSC damit nicht. Auch andere Reedereien sind, insbesondere was die Landstromnutzung betrifft, sehr aktiv – allen voran Aida. Hier sieht sich der deutsche Kreuzfahrtmarktführer gar als Vorreiter in Europa. So konnten Kussmund-Schiffe der Rostocker die Anzahl der Landstromnutzungen – auch weil immer mehr Häfen über entsprechende Anlagen verfügen – innerhalb eines Jahres von 65 im Jahr 2023 auf 381 im Jahr 2024 steigern. Bis Ende August 2025 bezogen die Aida-Schiffe mehr als 250-mal landseitige Energie. Bis Ende 2025 soll diese Zahl laut Reederei auf mehr als 400 Landstromanschlüsse steigen.

Landstromnutzung steigt stetig

„Für uns ist diese Technologie ein relevantes Thema für die Transformation der Kreuzfahrt in Europa“, betont Dirk Inger, Senior Vice President Public Affairs, Communications & Sustainability bei Aida. „Wir sehen, dass sich das Angebot in den letzten Jahren weiterentwickelt hat – nicht zuletzt durch enge Kooperationen zwischen Häfen, Politik und Kreuzfahrtbranche.“ Doch auch wenn zuletzt Kopenhagen und Amsterdam neue Landstromanlagen in Betrieb genommen haben, bleibt hier noch viel Raum für Verbesserungen. Europaweit verfügen nur etwa 20 Häfen über die entsprechende Technik.

Fortschritte, gerade was die Nutzung von Landstrom durch die Kreuzfahrtanbieter angeht, konstatiert dabei auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), einer der wohl kritischsten Beobachter der Branche. Unter den 14 im kürzlich vorgelegten Kreuzfahrt-Ranking 2025 unter die Lupe genommenen Reedereien findet sich keine mehr ohne landstromfähige Kreuzfahrtschiffe.

Bei Anbietern wie Havila Voyages, Hurtigruten, Hurtigruten Expeditions (HX) und auch Mein Schiff verfügen mittlerweile alle Schiffe über entsprechende Anschlüsse. Bei MSC Cruises werden es bis Jahresende immerhin 19 von 25 Schiffen der beiden Marken MSC und Explora sein, die landstromfähig sind. Doch nicht alle Anbieter sind so weit, andere Reedereien hinken hier noch deutlich hinterher, so der Nabu.

Auch insgesamt tue die Branche immer noch zu wenig für eine nachhaltige Kreuzfahrt, beklagt der Nabu. Die bisherigen Anstrengungen der Reedereien reichten nicht aus, so die Umweltschützer bei der Vorlage des Kreuzfahrt-Rankings (siehe S. 18). Zwar steuerten viele Anbieter in die richtige Richtung, doch fehle es unter dem Strich an konsequenten und flächendeckend wirksamen Maßnahmen für den Klimaschutz.

Nabu kritisiert Festhalten am Schweröl

Vor allem moniert der Nabu, das mit den Postschiffbetreibern Havila und Hurtigruten sowie Ponant und HX lediglich vier der zwölf untersuchten Reedereien gänzlich auf den Einsatz von Schweröl verzichten. „Die meisten nutzen weiterhin giftiges, aber billiges Schweröl“, so der Nabu. „Dabei wäre der Wechsel zu dem weniger schädlichem Marinediesel problemlos möglich.“ TUI Cruises immerhin betreibt seine jüngsten beiden Schiffe – die Mein Schiff 7 sowie die Mein Schiff Relax – mit Marinediesel. Auf den anderen Schiffen setze man zudem auf eine „permanente Abgasnachbehandlung“, so dass die Emissionen der Schiffe weltweit und rund um die Uhr auf dem Niveau von Marinediesel liegen, heißt es von Seiten der Hamburger Reederei.

Dass Reedereien auf das giftigere Schweröl in Kombination mit Abgaswäschern – sogenannten Scrubbern – setzen, hält der Nabu jedoch ebenfalls für den falschen Weg. Denn mit dieser Methode würde zwar der Schwefelgehalt im Abgas reduziert, zugleich aber würden die mit giftigen Schadstoffen angereicherten Abwässer ins Meer geleitet und dort die maritimen Ökosysteme belasten, kritisiert der Umweltverband.

Flüssiggas (LNG) – soweit es nicht aus erneuerbaren Quellen stammt – lehnt der Nabu gleichfalls ab. Denn das bei der LNG-Verbrennung unter Umständen frei werdende Methan – der sogenannte Methanschlupf – weist als Treibhausgas langfristig eine schlechtere Klimabilanz aus als Schweröl.

Um die Dekarbonisierung der Kreuzfahrt wirklich voranzutreiben, braucht es nach Nabu-Ansicht neben effizienteren Schiffen – die mit jedem Neubau kommen – und der verstärkten Nutzung von Windunterstützung, Batterien und Brennstoffzellen vor allem einen Wechsel von den derzeit üblichen fossilen Kraftstoffen hin zu erneuerbaren Antriebsstoffen, sogenannten E-Fuels.

Erfolgreicher Einsatz von Bio-LNG bei Aida

Hier jedoch steht die Kreuzfahrt wie die gesamte Schifffahrt am Anfang, auch wenn Hurtigruten und Havila noch für diesen Herbst erste völlig klimaneutrale Fahrten entlang der norwegischen Küste ankündigen. Der Einsatz von Biotreibstoff, Landstrom und Batterien macht es möglich. Mehr als ein Test sind solche Fahrten aber zunächst nicht.

Doch die Ansätze werden breiter. Aida hat nach ersten Tests im vergangenen Jahr mit dem Einsatz von Bio-LNG im ersten Halbjahr 2025 für die Aida Nova immerhin insgesamt mehr als 3300 Tonnen ISCC EU-zertifiziertes Bio-LNG in den Häfen Hamburg, Kiel und Zeebrügge bezogen. „Das Bio-LNG stammt aus europaweiten landwirtschaftlichen Biogasanlagen und wurde in einer Verflüssigungsanlage in Belgien über die massenbilanzierte Methode für die Schifffahrt nutzbar gemacht“, erläutert Aida-Sustainability-Manager Inger.

Darüber hinaus sind alle LNG-betriebenen Schiffe der Aida-Flotte laut Reederei schon heute für den zukünftigen Einsatz von Bio- und E-Fuels vorbereitet, sobald diese Kraftstoffe im Kreuzfahrtbereich breiter verfügbar sind – was allerdings noch dauern dürfte. Auch die Multi-Fuel- Antriebstechnik der nächsten Aida-Schiffsgeneration, die im Frühjahr 2030 und Winter 2031/32 in Dienst gestellt werden sollen, werde auf die künftige Nutzung verschiedener Bio- und E-Fuels ausgerichtet sein, so die Rostocker Reederei.

Dass alternative Kraftstoffe der Schlüssel für eine (nachhaltigere) Kreuzfahrtzukunft sind, dürften nicht nur Aida und TUI Cruises so sehen. Allerdings sind sie nach wie vor nicht in ausreichender Menge vorhanden und entsprechend teuer. Der Kostenaspekt bleibt aber für die Reedereien wichtig, auch wenn die Nachfrage nach Kreuzfahrten stetig steigt. Doch Buchungsentscheidungen hängen eben auch vom Ticketpreis ab. Und Inhaber und Aktionäre wollen Dividenden sehen.

Hier die richtige Balance zwischen Engagement für mehr Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu finden ist für alle Reedereien nicht einfach. Doch man nehme die Verantwortung ernst und treibe den Wandel der Branche Schritt für Schritt voran, heißt es dazu bei TUI Cruises. „Unser Ziel ist klar: eine klimaneutrale Kreuzfahrt.“ 2050 soll es so weit sein, nicht nur für das Joint Venture von TUI und Royal Caribbean, sondern branchenweit.

Martin JĂĽrs