Immobilien Zeitung 44 vom 30.10.2025 Seite 13
Wählerisch, aber zahlungskräftig
Büromarkt. Kanzleien als Büromieter sind picky: Sie mieten nur in ausgewählten Lagen und Gebäuden. Dafür zahlen sie 40% mehr Miete als der Otto-Normal-Mieter, zeigt eine exklusive Analyse von Cushman & Wakefield.
Anwaltskanzleien mieten gerne groß in zentraler Lage. Das zeigen auch die jüngsten Abschlüsse: So wird die Londoner Wirtschaftskanzlei Pinsent Masons künftig 2.000 qm im Holzhybrid-Neubau The Stack von AXA IM Alts und Accumulata in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs belegen. Die Momeni-Gruppe vermietete kürzlich im Düsseldorfer Projekt Trinkaus Karree rund 3.300 qm Bürofläche langfristig an die Wirtschaftskanzlei Herbert Smith Freehills Kramer. Und White & Case mietete knapp 12.000 qm im Frankfurter Büroensemble Central Parx, einem Revitalisierungsprojekt von ABG Real Estate und Hanse Merkur Grundvermögen.
Weil Kanzleien ihres guten Rufes wegen und als Waffe im War for Talents am liebsten in topmodernen Flächen – also nicht selten Projektentwicklungen – mieten, kann es hier und da auch passieren, dass der Mietvertrag wieder zurückgegeben werden muss. So hat die Wirtschaftskanzlei Noerr ihren 2022 geschlossenen Mietvertrag über 15.000 qm im stecken gebliebenen Ex- Signa-Projekt Corbinian an der Schützenstraße, ebenfalls nahe des Hauptbahnhofs in München, nach IZ- Informationen rückabgewickelt.
Anwälte sind zahlungskräftig und immer für eine Anmietung in Top-Objekten gut. „Dass für Anwaltskanzleien eine erstklassige Lage- und Flächenqualität essenziell ist, zeigt sich daran, dass sich diese Nutzergruppe im Zeitraum 2023 bis zum zweiten Quartal 2025 bei rund 60% der Anmietungen für Büroflächen im CBD entschieden hat“, sagt Alexander Waldmann, Team Leader Research Deutschland bei Cushman & Wakefield (C&W). Weitere 34% entfielen auf Innenstadtlagen. Das erste Halbjahr 2025 allein betrachtet, verteilen sich die Gewichte ähnlich. Das bestätigt ein konstant hohes Qualitätsbewusstsein.
Die Fokussierung auf reputationsstarke Gebäude und Lagen in einem kleinen Radius von vielleicht 500 m im Central Business District (CBD) bedeutet, dass die Zahl der potenziellen Lagen und Immobilien sehr überschaubar ist. Ein Anwalt hat der Immobilien Zeitung eine Karte der Münchner Innenstadt gezeigt, die die Kanzlei im Rahmen eines Anmietungsprozesses erstellt hat: Sie zeigt, wie sich die Kanzleien in einem kleinen Kreis knubbeln. Im Wesentlichen kommen die Maximilianstraße, die Fünf Höfe, die Prannerstraße und der Innere Ring (dort eher der Norden/am Viktualienmarkt) infrage. Es geht darum, „ein Reputationsrisiko“ zu vermeiden, wie es ein Jurist ausdrückt.
In Berlin gibt es mehrere Zentren, die möglichen Lagen sind zahlreicher als in München: Dazu zählen die City West, der Gendarmenmarkt oder der Potsdamer Platz. In Frankfurt gelten nicht zuletzt die Lagen rund um den Opernplatz und an der Bockenheimer Landstraße als tauglich. Da verwundert es nicht, dass Kanzleien nicht selten als Mieter ums selbe Objekt konkurrieren.
Vom Anteil am gesamten Flächenumsatz her sind Kanzleien allerdings lange nicht die größte Nutzergruppe. Von 2015 bis 2024 lag der jährliche Flächenumsatz durch Anwaltskanzleien in den fünf Top-Märkten nach der C&W-Auswertung im Schnitt bei 91.800 qm. Im Jahr 2024 ging er auf 76.000 qm zurück. Das entsprach einem Anteil von 3,5% am Gesamtumsatz in München, Berlin, Frankfurt, Hamburg und Düsseldorf.
Der Rückgang des Anmietungsumsatzes der Kanzleien liegt im Trend. „Die Mehrheit der Kanzleien hat eine geringere Anwesenheitsquote als in der Vergangenheit und darum Office Hoteling eingeführt“, erzählt ein Berliner Jurist. Anwälte werden ihr Einzelbüro kaum aufgeben. Aber es gibt noch viele weitere Mitarbeiter in einer Kanzlei: Da bietet sich durchaus Potenzial für Desk Sharing.
So kommt es, dass so manche Kanzlei wegen Homeoffice ein bis zwei Etagen untervermietet. Und bei Umzügen reduzieren viele Kanzleien – wie die meisten anderen Büromieter auch – ihre Büroflächen durch die Anmietung kleinerer Büros teils deutlich: nicht selten um 30% und mehr. Reales Beispiel: Eine Kanzlei, die nach Corona eine Homeoffice-Quote von 50% oder 2,5 Tagen die Woche eingeführt hat, verzeichnet je nach Standort nun eine effektive Belegung von 30% bis 50%. Die niedrige Quote ergibt sich nicht nur aus dem Homeoffice, auch Urlaub, Krankheit und Dienstreisen halten Anwälte von ihren Büros fern. Es gibt aber auch Kanzleien, die auf vier Tage Büropräsenz die Woche Wert legen.
Auch wenn ihr Flächenumsatz in der Regel etwas geringer ausfällt als der anderer Nutzergruppen und die Nettoabsorption geschrumpft ist: „Anwaltskanzleien – insbesondere internationale – bleiben in den Top- Büromärkten unverändert wichtige Marktakteure“, so C&W-Researcher Waldmann. Im ersten Halbjahr 2025 kletterte ihr Anteil auf 3,8% (44.000 qm). In den einzelnen Städten ist ihre Bedeutung als Mieterbranche sehr unterschiedlich: Innerhalb der fünf Top-Märkte war sie C&W zufolge im ersten Halbjahr 2025 in Frankfurt mit 7% (23.600 qm) am größten. Es folgen Düsseldorf mit 5% (5.200 qm) und München mit 3,5% (9.000 qm).
Auch in der langfristigen Betrachtung weisen Frankfurt mit 5,6%, Düsseldorf mit 5,4% und München mit 3,5% die höchsten Marktanteile auf. „Diese drei Städte zeichnen sich durch einen hohen Dienstleistungsanteil, internationale Ausrichtung und hervorragende überregionale Verkehrsverbindungen aus – ideale Voraussetzungen für große, international tätige Kanzleien“, erklärt Waldmann. In Hamburg (Marktanteil: 2,6%) und Berlin (1,5%) ist die Bedeutung von Anwaltskanzleien im Zehnjahresdurchschnitt deutlich geringer.
Die hohen Anforderungen an Lage und Objektqualität spiegeln sich auch in überdurchschnittlichen Mietpreisen wider. Das durchschnittliche Mietniveau bei Vertragsabschlüssen von Anwaltskanzleien liegt aktuell 40% über der Durchschnittsmiete der Top 5. „Der derzeitige Wert von 37,20 Euro/qm im Monat stellt einen neuen Rekord dar“, betont Waldmann. Dem Researcher zufolge tragen hierzu besonders hochpreisige Anmietungen in Frankfurt und München bei: Mit 46,80 Euro/qm in Frankfurt und 37,20 Euro/qm in München liegen diese beiden Märkte am oberen Ende der Top 5.
Andererseits sind gerade Juristen – und besonders Immobilienrechtler – vom Fach, wenn es um (Miet-)Vertragsverhandlungen geht. „Internationale Wirtschaftskanzleien mit einem starken Fußabdruck in der Immobilienbranche sind bei Anmietungen verhandlungserprobt und kennen den Markt in- und auswändig“, sagt ein kundiger Anwalt. „Wir streben immer sehr gute Lagen an – aber müssen nicht notwendig die Spitzenmieten ausreizen.“
Zudem sind Nominal- und Effektivmiete zwei Paar Schuhe. „Im Moment haben wir tendenziell einen Mietermarkt; es gibt mehr Incentives als vor vier, fünf Jahren, in einer Größenordnung von etwa 10% bis 15%“, schätzt ein Anwalt, der sich bestens mit der Immobilienbranche auskennt. Sechs Monate mietfrei gelten heutzutage für einen Mietvertragsabschluss über fünf Jahre als üblich, bei zehn Jahren Laufzeit sind es zwölf Monate mietfrei. Und dann kommen häufig noch Ausbaukostenzuschüsse hinzu. Wer in diesen Genuss kommen will, muss noch nicht einmal umziehen: Inzwischen sind Vermieter bereit, so heißt es, auch für Vertragsverlängerungen Incentives in großem Umfang zu gewähren – sogar auf dem Niveau von Neuanmietungen.
Harald Thomeczek



