Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung
Zwischen Klimakrise und Plattform-Macht
Quelle: Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung 2025 Heft 19 vom 27.09.2025, Seite 2


Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung 19 vom 27.09.2025 Seite 2

HERAUSFORDERUNGEN

Zwischen Klimakrise und Plattform-Macht

Regulierung, Distribution, Klimarisiken: Die Agenda ist gesetzt. Ein Blick nach vorn zeigt, wo Hoteliers jetzt handeln mĂŒssen – von der IdentitĂ€tsprĂŒfung bis zur Energieeffizienz. Insights vom HSMA Day 2025.

Die deutsche Hotellerie sieht sich mit grundlegenden VerĂ€nderungen konfrontiert. Neben Digitalisierung und KI beschĂ€ftigen die Branche neue Digitalregularien, weitere Vorschriften – und weiterhin der Klimawandel. WĂ€hrend die Streichung der Hotelmeldepflicht neue Unsicherheiten schafft, geraten digitale Buchungsplattformen wie Booking .com zunehmend in den Fokus kartellrechtlicher und regulatorischer Debatten. Gleichzeitig steht die Branche angesichts der Klimakrise unter Handlungsdruck, nachhaltigere GeschĂ€ftsmodelle zu etablieren. Beim HSMA Day 2025 im Maritim Hotel Köln diskutierten Experten unter anderem genau diese Herausforderungen.

In den Augen von Rechtsanwalt Peter Hense ist das Wegfallen der Hotelmeldepflicht zum Jahresbeginn ein Nachteil fĂŒr Hoteliers. „Ich sehe darin große Probleme – Ă€hnlich wie bei Starbucks darf sich nun jeder Gast nennen, wie er will“, sagt der Rechtsanwalt und Head of Data & Technology bei Spirit Legal. Doch: Nichtdeutsche GĂ€ste mĂŒssen sich weiterhin ausweisen und den Meldeschein ausfĂŒllen. Der Hotelier hat bei nichtdeutschen GĂ€sten also weiterhin die Pflicht, auf das AusfĂŒllen eines Meldescheins hinzuwirken – und muss so differenzieren, wem er einen Meldeschein hinhĂ€lt und wem nicht. Rechtsanwalt Peter Hense stellt auf der BĂŒhne die Frage: Wie unterscheide ich eine deutsche Person von einer nichtdeutschen? Wie erfrage ich die Staatsangehörigkeit eines Menschen, ohne dabei ĂŒbergriffig und wenig gastfreundlich zu wirken?

RĂŒckverfolgung der GĂ€ste-Daten erschwert

Der Umfang des „Hinwirkens“ auf die Meldepflicht sei laut dem Experten fĂŒr IT- und Technologierecht außerdem ungeklĂ€rt: „Reicht ein Schild? Muss ich jeden nerven?“, fragt er. Und: „Wie reagieren die GĂ€ste?“ Die staatliche AutoritĂ€t, die Hoteliers bis dato in gewisser Weise ausĂŒbten, sei jedenfalls weg, ist sich Peter Hense sicher. Der Hotelier habe, wie der BĂ€cker, das gleiche Recht, Daten seiner Kunden zu erfahren. Dem Hotelier fehlten nun faktische Möglichkeiten und rechtliche Mittel, Angaben von GĂ€sten zu validieren. „Ihm fallen ganz generell Datenquellen von den GĂ€sten weg“, sagt der Rechtsanwalt. Hinzu komme die Frage nach der Absicherung fĂŒr den Hotelier. Im Falle von möglichen SchĂ€den hat ein Hotel Recht auf Erstattung. Doch wenn die IdentitĂ€t vom Vertragspartner beziehungsweise dem Gast nicht mehr notwendig ist, so könne dies zu einem weiteren Problem werden. Gibt der Vertragspartner seine Daten nicht korrekt an und tĂ€tigt die Zahlung des Zimmers in bar oder mit einem angegebenen „Pseudonym“ per Google oder Apple Pay, lĂ€sst sich spĂ€ter nichts mehr zurĂŒckverfolgen.

Auf die Frage, wie er nun als Hotelier handeln wĂŒrde, sagt er: „Ich wĂŒrde nach dem Motto agieren ‚Come as you are‘ und in der Buchung kleingeschrieben hinzufĂŒgen, dass, obwohl wir die GĂ€ste sehr schĂ€tzen und mögen, Nichtdeutsche bitte ein Ausweisdokument bereithalten und den Meldeschein ausfĂŒllen, weil es der Gesetzgeber fordert – in der Hoffnung, dass es dann gelesen und umgesetzt wird.“

Auch ĂŒber Booking.com spricht der Rechtsanwalt in klaren Worten: Booking sichere seine eigenen Systeme nicht gegen Missbrauch ab, trotz Kenntnis der Schwachstellen. „GĂ€ste- und Hotelbeschwerden werden in 140 Sprachen ignoriert“, so Hense. Halluzinierte Hotelbeschreibungen, die schlichtweg falsch seien, wie eine angebliche „Neueröffnung“ oder „frisch renovierte Zimmer“ fallen nicht auf Booking.com, sondern auf die Hotels zurĂŒck, heißt es vom Experten fĂŒr IT- und Technologierecht. Tatsache sei laut Hense: FĂŒr diese VerstĂ¶ĂŸe haften Hotels im AußenverhĂ€ltnis mit.

Das Thema Booking.com beschĂ€ftigt auch Tobias Warnecke, GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Hotelverbands Deutschland (IHA). Er spricht in seinem Vortrag beim HSMA Day ĂŒber die Hotellerie im Wandel zwischen Plattformmacht und digitaler Regulierung. „Wir wĂŒrden noch nicht sagen, dass Booking.com den Markt komplett reguliert, aber die Machtkonzentration ist bereits enorm“, sagt der IHA-GeschĂ€ftsfĂŒhrer. Die Marktanteile von Booking Holdings – innerhalb des Anteils von Online- Reiseplattformen – liegen in Deutschland bei 72,3 Prozent, Expedia folgt mit 11,2 Prozent und HRS mit 10,7 Prozent, andere mit 5,8 Prozent. (Die Daten basieren nicht auf einer Marktabgrenzung nach kartellrechtlichen MaßstĂ€ben, sondern sind an einer allgemeinen Marktbetrachtung der befragten Hotels ausgerichtet; Quelle: HES-SO Wallis, 2024.)

Zusammen kommen die Online-Reiseplattformen auf 29,1 Prozent aller Hotelbuchungen in Europa – den grĂ¶ĂŸten Anteil machen in Deutschland Direktbuchungen mit einem Anteil von 58,5 Prozent aus (Hotel Distribution Study). Warnecke kritisiert jedoch: Durch die BestpreisparitĂ€t sei der Wettbewerb eingeschrĂ€nkt worden. 2020 nahm die IHA gemeinsam mit dem Hotelverband Hotrec GesprĂ€che mit Booking.com auf. „Booking hat daraufhin 200 bis 300 Hotels in Amsterdam verklagt – was bei uns dazu gefĂŒhrt hat, dass wir Gegenklage eingereicht haben“, erklĂ€rt Tobias Warnecke. Ein erstinstanzliches Urteil zum Schadensersatz-Anspruch wird noch im September erwartet.

Eine weitere Sammelklage wurde vor drei Monaten ausgerufen, diesmal europaweit. „Das Verfahren wird noch sehr lange dauern. Die Registrierungsfrist ist abgelaufen und das Onboarding ist gestartet. Wir bereiten nun die Klage vor“, erklĂ€rt Tobias Warnecke. Bereits 2012 hatten die VerbĂ€nde angefangen, mit der EuropĂ€ischen Kommission zu sprechen, berichtet der IHA- Chef. „Nach 13 Jahren hat die Kommission geliefert, und wir haben Digitalregulierungen erhalten“, so Warnecke.

Luft nach oben bei Umsetzung der Regeln

Die Digitalregulierungen, die die Transparenz des Markts kontrollieren sollen, seien aktuell die weltweit strengsten, „vorausgesetzt, das EuropĂ€ische Parlament bleibt seiner Linie treu“, sagt Warnecke. Weil die Kommission im Mai 2024 Booking.com als Gatekeeper nominierte, muss das Unternehmen seit 2024 die Regeln des Digital Market Acts einhalten. „Doch da ist noch Luft nach oben“, merkt Tobias Warnecke an. Bedeutet nach AusfĂŒhrungen des IHA-Chefs: Die Umsetzung des Verbots der RatenparitĂ€tsklauseln und des Verbots der Selbstbevorzugung ist noch dĂŒrftig. Auch dass Hoteliers keinen Zugang zu den Daten der GĂ€ste erhalten, die ĂŒber Booking buchen, sei ausbaufĂ€hig, so Tobias Warnecke.

Verbesserungsbedarf sieht auch Andreas Zimmer, Professor fĂŒr Tourismusmanagement an der Internationalen Hochschule Erfurt, und zwar im Bereich des Klimaschutzes. „Auch wenn das nicht unbedingt auf der politischen Agenda steht: Die Zeit lĂ€uft ab“, sagt er auf dem HSMA Day ĂŒber die Klimakrise.

„Die Folgen sind nicht gut fĂŒr den Tourismus, und auch vom Trend Coolcation werden wir nicht profitieren“, sagt der Experte. Er betont: „Wir sehen uns in der Branche natĂŒrlich gerne als Opfer, wobei auch wir fĂŒr eine Menge Treibhausgase verantwortlich sind.“

Das Rad lasse sich auf gar keinen Fall zurĂŒckdrehen – und Kohlendioxid, das einmal in der AtmosphĂ€re ist, bleibt dort 100 Jahre, so Andreas Zimmer. Weiterhin keine Anpassungen an den Klimawandel vorzunehmen, wĂŒrde volkswirtschaftliche Folgen haben: Selbst bei einem „schwachen“ Klimawandel lĂ€ge die kumulierte Wirkung auf das reale Bruttoinlandsprodukt fĂŒr den Zeitraum 2022 bis 2050 bei einem Verlust von 280 Mrd. Euro; bei Anpassungen jedoch 20 Mrd. Euro im Plus.

Andreas Zimmer appelliert an die Verantwortung der Gemeinschaft und erzĂ€hlt als Beispiel dafĂŒr die Geschichte der Dorfwiese. Auf dieser lassen alle Menschen des Dorfes ihre KĂŒhe, insgesamt zehn StĂŒck, grasen. Die Wiese ist fĂŒr alle da und bildet einen lebenswichtigen Aspekt fĂŒr die Tiere, aber auch fĂŒr die Dorfbewohner, weil sie Milch und Fleisch benötigen. Doch dann beginnt der erste, ein Tier mehr auf die Weide zu stellen, weil er der Meinung ist, dass diese eine Kuh keinen Unterschied macht. Auch die anderen sind dieser Meinung und stellen weitere KĂŒhe auf die Wiese. Bald schon liegt die Wiese brach, die KĂŒhe sind entkrĂ€ftet und geben keine Milch mehr. Zum Schlachten sind sie zu mager. „Bei der Geschichte geht es vor allem darum, zu verstehen, dass es einen Unterschied macht, ob ich individuell rational oder kollektiv rational handle“, erklĂ€rt der Klima-Experte.

Viele Hoteliers sehen sich in Bezug auf Nachhaltigkeit vor großen HĂŒrden. Zimmer nennt in diesem Zuge zwei Best Cases: Zum einen das Landgut Stober, eines der nachhaltigsten Tagungshotels in Deutschland und das erste bio-zertifizierte Hotel Brandenburgs. Das ehemals heruntergekommene GebĂ€ude baute Inhaber Michael Stober aus den vorhandenen Materialien vor Ort wieder auf. Das Landgut Stober zĂ€hlt 300 Zimmer, ist mit Photovoltaik ausgestattet und verfĂŒgt ĂŒber ein 160 Kubikmeter großes Regenwasserreservoir zur Reduktion des Frischwasserverbrauchs. Zwei Holzhackschnitzelheizungen mit jeweils 500 Kilowatt Heizleistung dienen zur WĂ€rmegewinnung. „Umweltschutz im Hotel bedeutet fĂŒr uns, alle Energien nur aus solaren oder nachwachsenden Energien und intelligenten Technologien zu nutzen, und das auf höchstem Komfortniveau fĂŒr unsere GĂ€ste“, heißt es auf der Website des Landguts.

Energieeffizienz bei Neubauten ist Pflicht 

Auch bei den Gewinnen verfolgt das Landgut Stober eine ungewöhnliche Philosophie: 20 Prozent der Gewinne gehen an die Mitarbeitenden in Form von höheren Löhnen oder Altersversorgung, 20 Prozent werden fĂŒr humanitĂ€re und soziale Projekte gespendet, weitere 40 Prozent fließen in Investitionen fĂŒr das Unternehmen, 10 Prozent Sondertilgung gehen an die Nachhaltigkeitsbank, wĂ€hrend 10 Prozent an den EigentĂŒmer fließen.

Vor dem Hotel sind E-Ladeslots verfĂŒgbar. Kritikpunkt am ÖPNV-Netz: Die Verbindungen gerade im lĂ€ndlichen Raum sind ausbaufĂ€hig. Das Landgut-Stober-Team bilde Fahrgemeinschaften, die meisten GĂ€ste mĂŒssen mit dem Auto anreisen, so Zimmer.

Als zweites Beispiel fĂŒr ein gut umgesetztes nachhaltiges Hotelkonzept nennt der Tourismus-Experte das Ahead Burghotel in Lenzen. Inmitten eines Unesco-BiosphĂ€renreservats liegt eine denkmalgeschĂŒtzte Burg, die von einem ĂŒber 5 Hektar großen, biozertifizierten Burggarten direkt am Fluss Löcknitz umrahmt ist. Hier gehe es um mehr als Nachhaltigkeit zu Marketing-Zwecken, erzĂ€hlt Andreas Zimmer: angefangen bei pflanzenbasierter KĂŒche und einer Speisekarte, die fĂŒr jedes Gericht den CO?-Fußabdruck aufzeige, ohne zu moralisieren.

Bio-QualitĂ€t, Mehrweg und Produkte regionaler GroßhĂ€ndler sind Teil des Konzepts. Der Strom fĂŒr Heizung und Warmwasser wird selbst erzeugt. Cases, die zuversichtlich stimmen. „Die Hotellerie steht gar nicht so schlecht da“, resĂŒmiert Andreas Zimmer. Gerade bei Neubauten seien Energieeffizienz und KlimaneutralitĂ€t angekommen – vor allem aus ökonomischen GrĂŒnden. Mit Blick auf die Förderung von nachhaltigeren Hotels in den BundeslĂ€ndern sieht der Experte aber noch Luft nach oben. Nicht erst beim HSMA Day wird deutlich, dass die deutsche Hotellerie an einem Wendepunkt steht. Jetzt gilt es, die Chancen der Transformation zu nutzen.

Elaine Cappus