agrarzeitung 42 vom 17.10.2025 Seite 2
Die Verzwergung
Warum Deutschlands Widerstand gegen die Zukunft gröĂer wird
Keine wirtschaftliche Erholung im 3. Quartal. Industrieproduktion von rĂŒcklĂ€ufigen AuslandsauftrĂ€gen belastet. Einbruch im Bereich Kfz und Kfz-Teile bei 18,5 Prozent. Produktion auf breiter Front der industriellen Wirtschaftszweige rĂŒcklĂ€ufig. Zahl der Arbeitslosen nimmt im September saisonbereinigt um 14000 Personen zu. IWH-Insolvenztrend fĂŒr Personen- und Kapitalgesellschaften weist einen Anstieg von 5,1 Prozent auf. AuĂenhandel weiter im RĂŒckwĂ€rtsgang. Das sind einige zentrale Aussagen aus dem Oktober-Bericht des Bundesministeriums fĂŒr Wirtschaft und Energie zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland im Oktober 2025, der diese Woche erschienen ist. Ein niederschmetterndes Bild. Und trotzdem rechnet die Bundesregierung fĂŒr 2026 mit einem Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent.
Doch nicht einmal das ist mehr sicher. Denn kurz nach dem Oktober-Bericht erschien eine Analyse des Internationalen WĂ€hrungsfonds (IWF). Und die sagt fĂŒr Deutschland einen schwĂ€cheren Aufschwung voraus als die Bundesregierung. Deutschland ist laut IWF Schlusslicht der G7 bei der Wachstumsprognose. Aus der Top 10 der innovativsten LĂ€nder ist Deutschland schon im vergangenen Monat herausgeflogen: In dem UN- Innovationsranking sind wir auf den elften Platz gerutscht und liegen nun hinter Schwellenland China.
Man fragt sich: Was ist da los? Beobachtet man die öffentlichen Debatten in den Medien und den Polit- Talkshows, dann fĂ€llt auf, dass wir uns am liebsten mit Fragen der Vergangenheit beschĂ€ftigen: einer Sprache ohne Gendern, wie sie frĂŒher einmal war. Einer Landschaft ohne WindrĂ€der, wie sie frĂŒher einmal war. Eine Autobahn ohne Elektroautos, wie sie … StĂ€dtische StraĂen ohne Radspuren, wie sie …
Wir schlagen uns â auch dank populĂ€rer Symbolpolitik â mit den alten Fragen herum. Kein Wunder: In einem Land, in dem Einwohner mit ĂŒber 50 Lebensjahren demnĂ€chst die Mehrheit stellen, sehnen sich immer mehr nach den guten alten 1970ern und 1980ern. Und das treibt den Widerstand gegen jede Art von VerĂ€nderung. Die Verzwergung Deutschlands beginnt also nicht bei der Konjunktur, sondern im Kopf. Aber Hauptsache, das Heimat-Feeling stimmt. Zukunft Made in Germany? Was soll das eigentlich sein?
Olaf Deininger



