Fleischwirtschaft 11
Gerichte sichern Unternehmensrechte
Quelle: Fleischwirtschaft 11 2025 Heft vom 13.11.2025, Seite 14


Fleischwirtschaft 11 vom 13.11.2025 Seite 14

Gerichte sichern Unternehmensrechte

Jüngste Urteile stärken den Schutz vor rufschädigenden Veröffentlichungen

Die Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße in Internetportalen, die für jeden Verbraucher einsehbar sind, ist in der Lage, das Ansehen und die wirtschaftliche Existenz der betroffenen Unternehmen nachhaltig zu schädigen und können nach der Devise „das Internet vergisst nie“ nicht rückgängig gemacht werden. Wie bereits in der FLEISCHWIRTSCHAFT 11/2024 berichtet, ist ein gerichtliches Vorgehen gegen geplante Veröffentlichungen der Behörden keineswegs aussichtslos und eine Einsichtnahme in die Behördenakte ist zu empfehlen. 

Diese Einschätzung wird mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. Juli 2025 (1 BvR 1949/24) bekräftigt, das zugunsten des Unternehmens entschieden und die Rechte der Wirtschaftsbeteiligten gestärkt hat. Die Gerichte rücken die grundrechtlich gesicherten Rechte der Unternehmen wie deren Berufsfreiheit in den Fokus und fordern eine stärkere Einzelfallbetrachtung.

Die MaĂźnahmen bei der ĂśberprĂĽfung und Ăśberwachung von Betrieben, in denen Lebensmittel hergestellt, verarbeitet oder verkauft werden, sind in den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Kontrollverordnung (EU) 2017/625 (KontrollVO) und im deutschen Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) geregelt.

Zeitfenster „unverzüglich“ vom Gericht konkretisiert

Nach § 40 Abs. 1 a LFGB hat die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich über lebensmittelrechtliche Verstöße unter Nennung des Namens oder der Firma des Unternehmens zu unterrichten.

Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Zeitfenster der „Unverzüglichkeit“ in seinem Urteil vom 28. Juli 2025 zugunsten der Unternehmen konkretisiert und eingegrenzt. Insbesondere, wenn die Veröffentlichungen im Internet durch den „Online-Pranger“ nach § 40 Abs. 1 a LFGB erfolgen, wird der Ruf und die Reputation des Unternehmens geschädigt mit zum Teil verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen, wenn sich Kunden infolge derartiger Veröffentlichungen von dem Unternehmen abwenden. Das Urteil betrifft damit das bestehende Spannungsverhältnis zwischen dem Recht der Verbraucher auf den Erhalt relevanter Informationen nach § 40 Abs. 1 a LFGB und der Berufsfreiheit der Unternehmer, die mit der Regelung des Art. 12 GG geschützt wird. Veröffentlichungen stellen schwerwiegende Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 GG und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Art. 14 GG dar, die von dem Schutzzweck des § 40 Abs. 1 a LFGB nicht in jedem Fall gerechtfertigt werden können.

Öffentlichkeitswirksame Hinweise sind nach dem Bundesverfassungsgericht nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn sie unverzüglich erfolgen, da ein Interesse der Öffentlichkeit, das die Berufsfreiheit der Unternehmen überwiegt, nur an aktuellen Informationen bestehen kann. Veraltete Informationen dienen der eigenverantwortlichen Konsumentenentscheidung nur bedingt. Der Informationswert ist umso geringer, je mehr Zeit zwischen der Kontrolle und der Veröffentlichung verstreicht.

In dem vom Bundesverfassungsgericht jetzt entschiedenen Fall waren bis zur Entscheidung über die Veröffentlichung bereits 17 Monate seit Feststellung der Mängel vergangen. Auch wenn die Verzögerung zum Teil auch auf das von dem Unternehmen angestrengte gerichtliche Eilverfahren zurückzuführen war, kann eine Veröffentlichung bereits nach 14 Monaten ihren Zweck zur Information der Verbraucher nicht mehr erfüllen.

Publikation von Bildern ohne Zustimmung

Eine Stärkung der Rechte der Unternehmen erfolgte auch bezüglich der Veröffentlichung nicht genehmigten Bildmaterials, das vermeintliche lebensmittelrechtliche Verstöße abbildet, durch das Landgericht Oldenburg in seinem Urteil vom 11. Juni 2025 (5 O 326/25). Das Landgericht Oldenburg urteilte, dass die Veröffentlichung von nicht genehmigtem Bildmaterial, das vermeintliche lebensmittelrechtliche Verstöße abbildet, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigen kann. Obwohl die Verbreitung rechtswidrig erlangter Bild- und Filmaufnahmen von der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG geschützt sein kann, wurde dem Grundrecht der Berufsfreiheit des wirtschaftsbeteiligten Unternehmens ein größerer Stellenwert zugesprochen, da sich die Veröffentlichung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet. Das Mittel zur Beschaffung der veröffentlichten Informationen wird bei der Abwägung berücksichtigt.

Wenn die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Absicht verschafft wurden, diese gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Der Bedeutung einer Information für die Öffentlichkeit steht bei vorsätzlichem Rechtsbruch und illegaler Informationsbeschaffung der Grundsatz der „Unverbrüchlichkeit“ der Rechtsordnung entgegen.

Ebenso kann das Unternehmen Personen, die mit der Absicht, Videoaufnahmen ohne Einwilligung des Unternehmens anzufertigen, das Betriebsgelände betreten, den Zutritt untersagen.

Rechtssicherheit stärkt Unternehmensplanung

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 11. September 2025 (7 C 7.24) die Rechtssicherheit für Unternehmen gestärkt. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass eine erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung auch dann rechtmäßig bleibt, wenn im Nachhinein Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Erteilung bereits vorlagen, aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nachträglich eine geänderte Beurteilung erfahren. Die ursprüngliche Genehmigung wird dadurch nicht rechtswidrig. Vielmehr komme es für die Rechtmäßigkeit der Genehmigung auf die vorliegenden Tatsachen zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung an. Ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einmal erteilt, können die Unternehmen darauf vertrauen, dass diese bestehen bleibt. Die Stärkung des Vertrauens in eine erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist für eine langfristige Planungssicherheit ihrer Betriebsanlagen für die Unternehmen unumgänglich und mit dem Urteil vom 11. September 2025 höchstrichterlich bestätigt.

Dr. Christiane Fuchs ist Rechtsanwältin und seit 2023 Partnerin bei FGvW und verstärkt das Lebensmittelreferat in am Standort Frankfurt am Main. Sie verfügt über tiefgehende Branchenkenntnisse im Bereich der Lebensmittel tierischen Ursprungs entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Anschrift

Dr. Christiane Fuchs, christiane.fuchs@fgvw.de; Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB I Rechtsanwälte

Praxistipps fĂĽr Unternehmen

— Im Fall der Ankündigung der Veröffentlichung von Kontrollergebnissen durch die Behörde sollten die Unternehmen zur Schadenseindämmung die beanstandeten Mängel umgehend beseitigen.

— Bezüglich der drohenden Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1 a LFGB ist unbedingt die Rechtswidrigkeit derselben durch Akteneinsicht prüfen. Eine verspätete Information der Öffentlichkeit kann rechtswidrig sein, wenn die Mängel bereits behoben wurden, auch wenn das von dem Unternehmen eingeleitete gerichtliche Verfahren zu der Verzögerung beiträgt.

— Es sollten Rechtsmittel eingelegt und einstweiliger Rechtsschutz beantragt werden, um Einsicht in die Behördenakte zu erlangen und Schaden von dem Unternehmen abwenden zu können.

— Nach der grundrechtlichen Eigentumsgarantie des Art. 14 GG kann der Eigentümer mit der Sache grundsätzlich nach Belieben verfahren und andere von der Einwirkung ausschließen, vgl. § 903 Satz 1 BGB. Daher sollte das Betriebsgelände eingezäunt und gut sichtbare Hinweise auf ein Betretungsverbot und Verbot von ungenehmigten Videoaufzeichnungen und deren strafrechtliche Verfolgung erteilt werden.

— In den Fortbestand von Genehmigungen kann vertraut werden; sollten Behörden Änderungen oder Einschränkungen aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse vornehmen, ist Vorsicht geboten. Eine Änderung der bestehenden Genehmigung zu Lasten der Unternehmen kann rechtswidrig sein. Mit den jüngeren Urteilen stärken die Gerichte die Unternehmen und schützen sie stärker vor Beeinträchtigungen durch Veröffentlichungen und Rufschädigungen, die zu irreversiblen Schäden führen können.

Christiane Fuchs