agrarzeitung 45 vom 07.11.2025 Seite 5
Unbequeme Empfehlungen
Monopolkommission identifiziert Hemmnisse der Energiewende
Frankfurt a.M. Während in Deutschland noch über einen Industriestrompreis oder Strompreiszonen diskutiert wird, denkt die Monopolkommission schon weiter. Ihre Empfehlungen dürften nicht jedem gefallen – würden am Ende aber wohl allen nützen.
 Die Monopolkommission ist ein unabhängiges Gremium, das seit 1974 unter anderem die Bundesregierung in Wettbewerbs- und Regulierungsfragen berät. Alle zwei Jahre hat sie die Aufgabe, ein Gutachten für den Energiesektor vorzulegen. Die 10. Auflage erschien diese Woche.
Darin plädiert die Kommission vorrangig für stärkere Anstrengungen beim Umbau der Energiesysteme: „Nur wenn wir die Ursachen der hohen Energiepreise angehen, können wir dauerhaft etwas erreichen. Das Lindern von Symptomen genügt nicht“, sagte Tomaso Duso, der Vorsitzende der Monopolkommission. Mehr Effizienz und Wettbewerb sind demnach der Schlüssel für die Energiewende.
Dynamische Netzentgelte
Beim Stromnetz fordern die Expertinnen und Experten die Einführung dynamischer Netzentgelte. „Momentan belohnt das System Verhalten, das die Netze an ihre Grenzen bringt. Mit dynamischen Netzentgelten können wir Erzeugung und Verbrauch durch Preissignale lenken und somit auch eine Happy Hour für den Stromverbrauch schaffen“, erklärte Duso.
Konkret ist es laut der Kommission im Moment so, dass die Netzentgelte kaum Anreize bieten, „die vorhandenen Netzkapazitäten smart zu nutzen. Die Folge: Günstige Energie von Windrädern und Solaranlagen im Norden wird gedrosselt, dafür werden teure Gas- und Kohlekraftwerke im Süden hochgefahren.“
Eine Voraussetzung für dynamische Netzentgelte sei allerdings die konsequente Digitalisierung der Netze. „Nur wenn wir beides entschlossen vorantreiben – die Digitalisierung der Netze und die Reform der Netzentgelte –, lässt sich die Energiewende effizient gestalten“, so Duso.
Netzkosten als Preistreiber
„Ein effizienteres Energiesystem ist erforderlich, um Systemkosten und Strompreise zu begrenzen“, heißt es im Gutachten. Obwohl das Stromnetz bereits jetzt an Grenzen stoße, würden Maßnahmen, die den Ausbaubedarf begrenzen, ein hohes Einsparpotenzial bieten.
Die Kommission denkt dabei vor allem an die derzeit noch hohen sogenannten Redispatch-Kosten – Ausgleichsmaßnahmen zur Netzstabilisierung – mit einem Volumen von rund 2,8 Mrd. € im vergangenen Jahr. Umgerechnet auf den Stromverbrauch machte das etwa 6 €/MWh aus. Sollte der Netzausbau nicht schnell genug vorangehen und sollten Reformen im Strommarkt ausbleiben, rechnet die Kommission mit einer annähernden Verdreifachung dieser Kosten auf 7,9 Mrd. € bis zum Jahr 2035.
1. Wahl: Nodal
Das Beratungsgremium bevorzugt bei der angemessenen Bepreisung von Netzengpässen die sogenannte Nodale Preisbildung. Dabei handelt es sich um „ein Stromhandelssystem, bei dem die Strompreise je nach Netzknoten, d. h. dem Ein- oder Ausspeisepunkt, variieren und so Angebot, Nachfrage und Netzengpässe an jedem Punkt genau abbilden“.
In Europa gibt es das bisher noch nicht, aber in mehreren US-Bundesstaaten sowie in Argentinien, Chile, Mexiko und Neuseeland. Durch lokale Preissignale an einzelnen Netzknoten „verhalten die Marktteilnehmer sich netzdienlich, da sie Netzengpässe in ihrem eigenen Entscheidungsprozess berücksichtigen“, erläutert die Kommission.
Die Nodale Preisbildung macht den Redispatch überflüssig. Die Effizienzgewinne werden je nach Quelle auf 1,1 bis 3,6 oder auch auf 9 bis 10 Prozent geschätzt. Nachteile sind die hohe Komplexität bei der Einführung und der höhere administrative Aufwand im Vergleich zu einer Preiszonentrennung, denn jeder Knoten würde eine Preiszone darstellen. Die Einführung würde vier bis acht Jahre dauern. Dennoch ist dieses Modell der Favorit der Kommission.
2. Wahl: Preiszonen
Deutlich weniger solcher Zonen gäbe es bei den Strompreiszonen, in denen jeweils ein eigener Strompreis existiert – eine Abkehr von der derzeitigen einheitlichen Strompreiszone. Mehrere Preiszonen könnten „als Kompromiss zwischen einer einheitlichen Gebotszone und einer Nodalen Preisbildung gesehen werden“, heißt es. Und: „Regional differenzierte Strompreise sind allokativ effizienter als Einheitspreise, da Knappheit in der Leitungskapazität zwischen den Regionen besser abgebildet wird.“
Neben der in Deutschland diskutierten Aufteilung in zwei Preiszonen (Nord und SĂĽd) sind jedoch prinzipiell auch drei oder mehr Zonen denkbar.
Wenn fehlende Übertragungskapazitäten oder strukturelle Unterschiede zwischen den Zonen bestehen bleiben, ergeben sich auch dauerhafte Preisunterschiede, erläutert das Gutachten. Als größter Vorteil wird der verringerte Redispatch-Bedarf genannt, er könne aber nicht vollständig eliminiert werden. Bei Aufteilung in fünf Preiszonen (wie es zum Beispiel in Norwegen der Fall ist) würde der größte Wohlfahrtseffekt entstehen, der auf 339 Mio. € pro Jahr beziffert wird. Bei zwei Zonen wären es nur 264 Mio. €.
Die Monopolkommission gibt sich übrigens keinen Illusionen hin: „Beide Alternativen [Nodal und Preiszonen] scheinen politisch jedoch schwer durchsetzbar.“
Zum Sektorgutachten im Volltext (PDF) via agrarzeitung.de/mk-energie2025
Bernhard Vetter



