TextilWirtschaft 41 vom 09.10.2025 Seite 26
Wero sagt Pay Pal den Kampf an
Der europäische Bezahldienst Wero steigt in den E-Com ein. Diese Händler machen mit und das sind die Vorzüge der ehrgeizigen Bankenprojekts
Wer im Herbst 2024 bei Google das Wort „Wero“ in die Suchmaske eingetippt hat, musste lange scrollen, um – inmitten vieler Links zu gleichnamigen Unternehmern anderer Branchen – die Website von Europas Antwort auf Pay Pal zu finden. Dieser Tage liefert die Suchmaschine an prominenter Stelle eine KI-generierte Übersicht über die Vorteile, Anbieter und Funktionsweise der Payment- Methode. Es folgen neben der Wero-Homepage zahlreiche Informationsseiten von teilnehmenden Banken sowie ein Wikipedia-Eintrag und Medienberichte zum Thema.
Und in einer Umfrage des Verbraucherportals Verivox gaben im Juli 30% der Befragten an, Wero grundsätzlich zu kennen. Ein Jahr zuvor waren es lediglich 12% gewesen. Laut einer Sonderumfrage im TW Testclub, dem größten Panel im stationären Modehandel, hat die Hälfte der Retailer schon von Wero gehört.
Damit sind die Rahmenbedingungen günstig für den Start der nächsten Expansionsstufe des Bezahlsystems, das bislang nur Echzeit-Überweisungen von Nutzer zu Nutzer ermöglicht. Ab Mitte Oktober will Wero-Betreiber Epi seinen 44,5 Millionen Nutzern anbieten, mit der Pay Pal- Alternative in Online-Shops zu bezahlen. „Wero ist eine spannende Initiative und wir führen Gespräche – eine Integrationsentscheidung wurde bisher jedoch noch nicht getroffen“, berichtet Stefan Hölscher, der beim Plattformbetreiber Otto.de als Lead Expert Payment arbeitet. Der Offprice-Spezialist Best Secret und der Filialist H&M haben sich gegenüber der TW klar gegen Wero ausgesprochen. Bei Decathlon hängt die finale Entscheidung noch von der „Prüfung aller technischen und wirtschaftlichen Details“ ab, berichtet Axel Müller, der bei dem Sportartikel-Filialisten als Experte für Bezahlungen und Retouren arbeitet.
Der Modehändler Hagemeyer hat dagegen bereits beschlossen, die Pay Pal-Alternative in seinem Online- Shop einzusetzen: „Sobald uns das Bezahlsystem Wero angeboten wird, werden wir versuchen, es zu integrieren, um dem Henne-Ei-Prinzip zu begegnen“, sagt COO Martin Heinzmann. Nach Angaben von Epi-CEO Martina Weimert ist bislang ein Dutzend Händler bei Wero angeschlossen. Die ersten würden Mitte Oktober live gehen. Die anderen sollen bis Jahresende folgen. „Diese Händler befinden sich einer Testphase. Bis diese abgeschlossen ist, werden wir keine Händlernamen nennen“, sagt Weimert. Einzige Ausnahme sei der Elektronikfilialist Media Markt Saturn, der seinen fürs erste Quartal 2026 geplanten Wero-Start selbst öffentlich verkündet habe.
An Wero interessiert sind angeblich die Drogerieketten dm und Rossmann. Letztere führe bereits Verhandlungen mit Epi, berichtet der TW-Schwestertitel Lebensmittel- Zeitung. Im TW Testclub wollen 4% der Händler Wero in ihre Online-Payment-Portfolios aufnehmen. 14% kreuzten das Feld „vielleicht“ an.
Für Händler dürften die größten Vorteile von Wero in den Echtzeitüberweisungen und den Gebühren bestehen, die dem Vernehmen nach deutlich niedriger ausfallen als bei Pay Pal, Amazon&Co. „Die Konditionen sind definitiv sehr attraktiv für den Handel“, sagt ein Manager eines Handelsunternehmens der LZ. Zudem seien die Preise frei verhandelbar.
Epi-Chefin Weimert macht dazu nur vage Angaben: „Wir setzen nicht die endgültigen Händlergebühren fest.“ Das liege in der Hand der Acquirer, welche für den Vertrieb der Lösung im Handel zuständig seien. „Aber wir bemühen uns sehr, kostenattraktiv zu liefern, damit wir eine Chance gegenüber allen amerikanischen Lösungen haben werden.“
„Saugut, aber schweineteuer“
Damit rennt Wero bei vielen Händlern offene Türen: „Wir hören in Gesprächen mit dem Handel oft den Wunsch, Zahlarten nutzen zu können, die nicht so kostspielig sind wie Pay Pal“, berichtet der ehemalige Geschäftsführer des Payment Service Providers Computop, Ralf Gladis. Ein Händler habe ihm gesagt: „Pay Pal ist saugut, aber schweineteuer.“
Der aktuellen Payment-Studie des EHI zufolge verlangt Pay Pal von seinen Händlern 1,6% vom Transaktionsumsatz. Zudem ergab die Untersuchung, dass niedrige Kosten mit Abstand das wichtigste Kriterium für die Auswahl einer Payment-Methode sind. 93% der befragten Online-Händler gab dieses Argument an.
Der Wero-Betreiber Epi und die teilnehmenden Banken führen gerne das Verkaufsargument ins Feld, dass man sich durch das europäische Bezahlsystem unabhängig von US-amerikanischen Anbietern wie Pay Pal, Google, Apple, Visa und Mastercard mache. Bei ihnen bestehe stets die Gefahr, dass sie vom unberechenbaren US- Präsidenten Donald Trumps ins Visier genommen werden.
Denkbar sei etwa, dass die Payment-Dienste abgeschaltet werden oder zur Herausgabe von Nutzerdaten gezwungen werden. „Die US-Anbieter könnten womöglich zu Opfern der amerikanischen Politik werden, um deren Forderungen durchzusetzen“, befürchtet Henning Brandt, Chief Communication Officer des Payment Service Providers Computop. Er würde sich wünschen, dass die Händler diese Gefahr ernster nehmen als bisher. Der Grund: „Wenn es hart auf hart kommt, kann ihnen Wero das Geschäft retten.“
Die Echtzeit-Überweisungen von Wero sind insofern ein Vorteil für die Händler, als sie das Geld somit sofort erhalten. Aber: „Für den Kunden ist das nicht unbedingt ein Vorteil, weil das Geld sofort weg ist“, sagt der Payment-Forscher Rüter (siehe Seite 30).
Ein Vorzug von Wero besteht nach Expertenmeinung darin, dass die Nutzer an den stationären Kassen nicht über NFC-Chips, sondern auch durch das Einscannen eines QR-Codes ihre Käufe bezahlen können: „Technisch ist der QR-Code überholt, aber die Einfachheit seiner Anwendung macht ihn für bestimmte Situationen trotzdem attraktiv. So können sogenannte Person-to- Professional-Zahlungen mit statischen QR-Codes auch von Kleinhändlern genutzt werden, die sich kein Terminal anschaffen würden“, sagt der Computop-Manager Brandt.
Für die Nutzer dürfte viel entscheidender sein, dass Wero ihnen einen Mehrwert anbietet, der über das reine Bezahlen im Online-Shop oder stationären Handel hinausgeht, den Wero Mitte 2026 in Angriff nehmen will. Schließlich gilt immer noch die alte Branchenweisheit, dass beim Mobile Payment das größte Problem darin besteht, dass es kein Problem gibt. Das heißt: Solange die Bezahlsysteme keine Probleme lösen bzw. einen gewissen Mehrwert bieten, werden sie sich nicht am Markt durchsetzen.
Payback schreitet voran
Einen Schritt in diese Richtung ist kürzlich Payback gegangen: Der mit Abstand größte Bonusprogramm- Anbieter der Republik hat seine Bezahl-App zu einer digitalen Brieftasche gemacht. In dieser können die registrierten Nutzer Kundenkarten anderer Unternehmen abspeichern, auch wenn diese nicht Partner des Münchner Loyalty-Anbieters sind.
Der Wero-Betreiber Epi will bei diesem Service nachziehen. Darüber hinaus planen die Brüsseler unter anderem die Einführung von Ratenzahlungen und die Verwaltung von wiederkehrenden Zahlungen in Verbindung mit Abonnements. Das heißt: „Wero macht viele Fehler nicht, die bei Giropay und Paydirekt passiert sind“, erklärt der Deutschlandchef von Mastercard, Peter Robejsek.
Giropay und Paydirekt stehen auf der langen Liste der Payment-Systeme, die in der Vergangenheit gescheitert sind und Wero ein warnendes Beispiel sein dürften. Dazu gehören auch die einstige Otto Group-Tochter Yapital und der Person-to-Person-Bezahldienst der Sparkassen, Kwitt. Das Aus von Giropay war insofern erstaunlich, als es Ende 2022 mit Paydirekt verschmolzen wurde und die ganze Zeit die Rückendeckung durch den Gesamtverband der deutschen Banken, Deutsche Kreditwirtschaft (DK), genoss, der das mit Abstand meistgenutzte Zahlungssystem in Deutschland betreibt: die Girocard.
Trotz dieser Marktmacht konnten sich Giropay, das zum Schluss von der Paydirekt GmbH betrieben wurde, nicht gegen Pay Pal durchsetzen. Die erhofften Synergieeffekte aus der Fusion mit Paydirekt blieben aus.
„Paydirekt wollte mit einer analogen Technologie eine ähnliche User Experience wie Pay Pal emulieren. Das ist nicht gelungen“, erklärt der Mastercard-Manager Robejsek. „Das deutet darauf hin, dass es wahrscheinlich keinen Zusatznutzen für den Konsumenten gab.“
Laut Rüter kam erschwerend hinzu, dass „das System nicht ganz einfach bei den Händlern zu installieren war“. Wero werde hingegen „professioneller aufgezogen“. Für einen großen Schub bei der Reichweite werde die Tatsache sorgen, dass Wero Ende 2027 die niederländische Zahlungslösung iDeal mit ihren 245000 angeschlossenen Händlern ersetzt. „Damit wird Wero quasi über Nacht Marktführer in Holland. Das bekommt man in Deutschland nicht so einfach hin.“
Darüber hinaus hat Epi zuletzt die Deutsche Bank und die europaweit aktive Neobank Revolut als Partner gewonnen. 2026 will die Bankeninitative nach Luxemburg expandieren und laut Weimert „mindestens 15 weitere Kreditinstitute dazuschalten“.
Der geplante Einstieg in den Stationärhandel dürfte dadurch begünstigt werden, dass sich das Mobile Payment in Deutschland mit großer Geschwindigkeit verbreitet. Die Technik hat nach Einschätzung des EHI-Experten Rüter endlich den seit vielen Jahren immer wieder versprochenden Durchbruch geschafft. Mit einem geschätzten Anteil von mindestens 13% an allen unbaren Bezahlvorgängen.
Pay Pal drängt auf die Fläche
Dieser Wert dürfte sich in den kommenden Jahren deutlich erhöhen, da Apple seine NFC-Schnittstelle auf Druck der EU freigeben musste. Damit war für Pay Pal der Weg frei, seine App auch für die mobile Bezahlung per NFC-Chip zu nutzen. Das Unternehmen macht damit den kontaktlosen Bezahldiensten von Apple, Google und Klarna Konkurrenz. Zu den ersten Anwendern gehören etwa die Filialisten Anson’s und Deichmann. Letzter ist nach eigenen Angaben mit bisherigen Nutzungszahlen „zufrieden“.
Pay Pal hatte bereits im vergangenen Jahr kräftig aufgerüstet. Der US-Konzern führte mehrere neue Funktionen ein, darunter einen Paketverfolgungs-Service und ein Tool zur Speicherung von Zahlungsmethoden, sodass die Kunden beim nächsten Online-Einkauf schneller bezahlen können.
Neben Wero stellt nur Klarna eine europäische Alternative zu Pay Pal dar. Der schwedische Bezahldienst kann seit Mitte September über die Wallet von Apple in britischen und US-Stores genutzt werden. In Deutschland ist das nur möglich, wenn man die Bezahlkarte von Klarna besitzt.
Bei den Bezahldiensten, die die deutschen Online-Shops in ihren Payment-Mix aufnehmen wollen, liegt dagegen Apple mit einem Anteil von 46,8% vorn, ergab eine EHI- Umfrage. Es folgen Google Pay und der Rechnungskauf. Wero wollen 8,5% implementieren. Wenn das Realität wird, dürfte Wero noch besser im Netz gefunden werden.
Das ist Wero
Wero ist ein europaweiter Echtzeit-Zahlungsdienst, der Privatpersonen den schnellen und einfachen Austausch von Geld ermöglicht, direkt über ihre Banking-Apps, sofern diese von den folgenden Kreditinstituten betrieben werden: Postbank, die Sparkassen, die Hypovereinsbank, ING-Diba sowie die Banken Sparda, PSD, BB, GLS, Revolut und BW. Europaweit bieten 33 Banken Wero an.
Der Echtzeit-Bezahldienst startete Mitte 2024 in Deutschland, Belgien und Frankreich. In diesem Jahr hat Wero mit seinen 44,5 Millionen Nutzern ein Transaktionsvolumen in Höhe von 8 Mrd. Euro generiert. Betreiberin von Wero ist die European Payments Initiative (Epi), die von 16 europäischen Banken und Zahlungsdienstleistern unterstützt wird. Mitte Oktober will Epi in den E-Commerce expandieren, Mitte 2026 in den Stationärhandel.
Bert Rösch



